Dichter als dicht: Stillstand am Zoo

■ Am Bahnhof Zoo ging nichts mehr/ Italienischer »Agricoltreno« bleibt/ Und das ausgerechnet am ersten Arbeitstag des neuen Bahnhof-Chefs

Berlin. Der neue Leiter des Bahnhofs Zoo, Helmut Schmiedl, scheint ein echter Pechvogel zu sein. Gestern, als wegen des Streiks der ReichsbahnerInnen im Bahnhof kein einziger Fernzug mehr ankam oder abging, war sein erster offizieller Arbeitstag an der neuen Wirkungsstätte. Und dann wurde das Büro des 52jährigen auch noch den halben Vormittag von einer aufgeregten Gruppe von Italienern blockiert. Verzweifelt ließ er die Telefonwählscheibe rotieren, doch den mediterranen Besuchern war erst einmal nicht zu helfen. Ihr »Agricoltreno«, eine rollende europäische Wanderausstellung der italienischen Landwirtschaft in 26 Eisenbahnwagen inclusive eines originalen Vatikanwaggons, saß auf dem Bahnhofsgleis4 fest. Der wunderliche Zug konnte, so sah es gestern abend aus, in der Nacht nicht wie vorgesehen nach Warschau weiterfahren, da das grüne Licht der gewerkschaftlichen Streikleitung fehlte.

Dennoch war der neue erste Mann im Bahnhof Zoo den Streikenden nicht gram: »Mit Anfang fünfzig, da macht man sich Sorgen und kann schon verstehen, warum gestreikt wird«, erklärt der gelernte Betriebs- und Verkehrseisenbahner. Vor allem sei zu befürchten, daß bei der Reichsbahn zum Jahresende ein Rationalisierungsschutzabkommen auslaufe.

Bereits in der Bahnhofshalle von heruntergelassenen Scherengittern gestoppt, sehen das manche Reisende anders. »Faßt die Scheiße nicht an von die Kommunisten«, fällt so ein älterer Herr aus der Rolle [das ist doch die einzige rolle, die er kennt. sezza], als ihm einer der zahlreichen Streikposten durch das Gitter ein Flugblatt reicht. Weil, wie es hieß, »wir aus Sicherheitsgründen den Bahnhof hier leer haben wollen«, werden nur die ausnahmsweise durchgelassen, die deponiertes Gepäck abholen wollen.

Dichter als dicht sind — Streik ist Streik — alle Serviceeinrichtungen von der Zugauskunft über das Bahnzentrum, von der Gepäckannahme bis zum Fahrkartenverkauf und der Platzreservierung. Allerdings sind die Streikposten klug genug, aus der Informationsnot eine Tugend zu machen. Jederzeit freundlich bleibend, präsentieren sie sich vor Ort einfach als wandelnde Auskunftsbüros: »Auf alle Fälle fährt ein Bus vor der Tür bis Braunschweig, da kommen Sie in nur vier Stunden hin.« Wie lange der Ausstand dauert? »Wir warten auf ein Verhandlungsangebot vom Bundesverkehrsministerium oder von der Betriebsleitung der Deutschen Reichsbahn.« thok