Regierung Mazowiecki ist sofort zurückgetreten

Der Regierungschef führt aber die Geschäfte fort/ Adam Michnik: „Wir haben die Stimmung im Land falsch eingeschätzt“  ■ Aus Warschau Klaus Bachmann

Die polnische Regierung ist zurückgetreten. Dies gab Premier Mazowiecki noch Montag abend in einer Sondersendung des polnischen Fernsehens bekannt. „Unsere Vision von einer polnischen Demokratie und einer von Grund auf gesunden Wirtschaft, der die von mir gebildete Regierung dienen sollte, ist in Frage gestellt worden.“ Dazu sei es durch die politische Kampagne der letzten Wochen gekommen, in der „zahlreiche Versprechungen ohne Deckung“ gegeben worden seien. „Die Bevölkerung hat die Wahl getroffen. Aus dieser Wahl ziehe ich die Konsequenzen. Ich habe beschlossen, den Rücktritt der Regierung zu erklären. Das bedeutet nicht, daß man eine Zerrüttung des Staates zuläßt. Bis zur Berufung eines neuen Premiers, der vom neuen Präsidenten vorgeschlagen wird, wird die von mir geführte Regierung weiter ihre verfassungsmäßigen Aufgaben erfüllen.“

In einem Kommentar der 'Gazeta Wyborcza‘ gab Chefredakteur Adam Michnik, der die Regierung bis zuletzt unterstützt hatte, zu, sein Lager habe verloren, „weil wir das Gefühl für die Stimmung in der Bevölkerung verloren haben“. Bald aber werde man bemerken, daß „wir mit unseren Vorraussagen recht gehabt haben“. Die polnischen Reformen seien in Gefahr geraten. Angesichts der Destabilisierung des Staates, die Tyminski bedeute, werde sein Lager daher „jede Regierung unterstützen, die Polens Interessen schützt“. Michnik rief somit nicht offen dazu auf, ab jetzt Walesa zu unterstützen, erklärte aber, einer von Walesa aufgestellten Regierung keine Steine in den Weg legen zu wollen. Bereits zuvor hatte Senatsmarschall Andrzej Stelmachowski im Fernsehen erklärt, er werde in der zweiten Runde für Walesa stimmen.

Walesa hat indessen den Rücktritt Mazowieckis scharf kritisiert. In einer Stellungnahme in der 'Gazeta Wyborcza‘ erklärte er, „früher oder später mußte das sein, aber jetzt ist das unverantwortlich. Denen sind die Nerven durchgegangen. Ich hab' dem Premier bei allen unseren Treffen immer gesagt, daß das genau so enden wird.“ Unterdessen rief der bisherige Präsident Jaruzelski die politischen Kräfte Polens dazu auf, im Interesse des Staates zu handeln.

In den nächsten Tagen wird Mazowiecki sein Rücktrittsschreiben dem Sejmmarschall übergeben. Am 9. Dezember wird dann die Stichwahl zwischen Walesa und Tyminski abgehalten. Der Sieger muß eine neue Regierung vorstellen, die vom Sejm, dem Parlament, akzeptiert werden muß. Wenn keine neue Regierung gebildet werden kann, ist der neue Präsident in der Lage, das Parlament auflösen und Neuwahlen ausschreiben.