Pfui Spinne Smeralda!

■ Erste Schlachthof-Produktion: Auf Probe beim „Gauklermärchen“

Die Verstärker der Virulent Violins knistern, der Beleuchter fragt nach dem rechten Licht. „Welche Szene jetzt?“ heißt es aus dem Off. Wieder und wieder ruft Regisseur Jochen Biganzoli durch die Kesselhalle: „Anfangen, können wir anfangen? „ Endlich: Manege frei.

Eine armselige Gauklerschar sammelt sich am Zirkusmast vor der kleinen Eli. Eli (Karin Schroeder) ist schwachsinnig geworden, sie hat, heißt es, eine Industriekatastrophe durchgemacht. Die Spielleute aber haben sich ihrer angenommen. Zwar hat sie das Kunststück mit dem ausgestopften Papagei nicht gelernt, kann also nicht ihren Lebensunterhalt verdienen, dennoch gibt es heute, ihr zu Ehren eine Sondervorstellung.

Pippo (Andreas Goerht) verschlingt viel Feuer, Wilma die Messerwerferin (Ellen Brandstetter) schleudert ihre Klingen, der Bauchredner Bux (Marcel Wagner) musiziert und steptanzt nebenberuflich, unterdessen die Schlangen-und Bauchtänzerin Lola (Margot Müller) sich in Scherben windet. Eli ist entzückt.

Doch natürlich fehlt noch der Zauber. Seit den Morgenstunden dauert die Probe und dauert. Was modernes Märchen werden soll, ist noch Stückwerk, mühsam aneinander gefügt. Die Amateurtruppe ist erschöpft. Text vergessen, Szenenablauf verpasst. „Alles nochmal von vorn,“ sagt Biganzoli, ein Schauspieler vom Bremer Theater, der für die erste eigenständige Produktion des Kulturzentrums Schlachthof engagiert wurde.

Die Macht-und Liebesmär Michael Endes, in der der Clown Jojo (Oliver Scheidis) seine Mitgaukler und die kleine Eli aus dem tristen Alltag in ein utopisches Morgen-Land entführt, verlangt viel von den unentgeltlich spielenden Amateuren, vor allem Geduld. Im Morgen-Land werden Jojo und Eli zum Prinzenpaar und ringen der zynischen Spinne Smeralda mit dem Schlüssel der Liebe die Macht über ein besseres Leben ab.

Michael Endes radebrechenden Rüttel-Versen eine frische Diktion zu verleihen ist schwer und zwingt die SchauspielerInnen zu weit mehr als schlichter Herzenseinfalt. Ihre Einsatzbereitschaft und die einfache, doch wirkungsvolle Umsetzung der literarischen Vorlage in eine plastische Bühnensprache durch Biganzoli lassen für die Premiere hoffen. Wolfgang Pannek

Premiere am Samstag, 1.12., um 20.30 Uhr im Schlachthof