: Bau ab, bau ab!
■ Gestern wurde der Mauerabriß vollendet
Die Mauer ist weg. Und schuld ist nicht Willy Brandt, nicht Ronald Reagan und auch nicht der Russe, sondern dieser Hasso von Uslar, General des Bundeswehrkommandos Ost. Gestern gegen 10.40 Uhr zog der Berufsolivgrüne unter dem satten Sound des Ton in Ton gestylten Baggers der Marke Bagger auf einen homochromen Tatra, Marke Laster. Der neuerliche Histo-Akt vollzog sich im einstigen Schutz- und Trutzstreifen Provinzstraße/ Kurt-Fischer-Straße in Pankow. Aus Mauerauflösungskreisen (mit Oberst Oggen an der Führungsramme) wurde bekannt, daß 65 Krane, 90 Kipper, 175 Lkw, 55 Bagger, 24 Schwenklader und 13 Planierraupen mit dem Schmutzwall rangen.
Ein letztes Mal durfte die SPD- Lokalpolitur in Form des Stadtrates für Bauwesen, Ekki Kraft, eine Schandfloskel an der Mauer abschlagen unter finsteren Verwünschungen (»...nie wieder...«) und intensiven Medizinalien (»...zusammenwachsen...«). Und während Genosse Kraft zum sofortigen Vergessen mahnte, deutete sich noch ein letzter innerparteilicher Machtkampf zwischen ihm und seiner Kollegin Kulturstadträtin Rusta an. Letztere verkündete zeitgleich und bewegt, daß es ihr gelungen sei, drei Mauerabschnitte vor dem Zugriff des Obersten zu bewahren und als Denkmal unter Immunität zu stellen.
Das Volk wurde gestern — wie so oft — von anderen Sorgen gepiesackt: »Nun steh' ich da mit diesem Loch und bete, daß die mir da einen Zaun hinstellen«, sagte eine unbekannte Für-Millionen-Sprecherin, deren Freizeitchemotop nun ohne Gartenmauer auskommen muß. Doch auch die alte Frau hat Schuld auf sich geladen: Den Schäferhunden (Typ »Republikflucht-Hasso«) hatte sie öfter mal ein systemerhaltendes Würstchen kredenzt. Verständlich, daß sie dem für Human- Interests zuständigen 'ap‘-Nachrichtenagenten ihren Namen nicht nannte. »Ich komme sonst in die Gerichtsakten«, sagte sie ihm »leise und blickte zu Boden«, worauf dieser in seinen Fernschreiber hineinsinnierte: »38 Jahre leben im Grenzgebiet sind nicht spurlos an ihr vorübergegangen.« Ja, und auch wir Nachrichtendiener sind mittlerweile ganz zerfurcht. a.m/grr
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