: Schiffbruch im U-Boot-Geschäft
■ Israel storniert bei HDW 570-Millionen-Dollar-Auftrag/ Arens will Geld in modernere Waffen stecken/ Vorausgegangen war ein jahrelanges Finanzpoker/ HDW hat bis 93 volle Auftragsbücher
Kiel (dpa) — Die Kieler Howaldtswerke-Deutsche Werft AG (HDW) hat bei U-Boot-Geschäften nicht das Glück gepachtet. Exportkopien von Konstruktionsplänen an das rassistische Regime in Südafrika brachten die Firma in Verruf. Der Verdacht einer Ordnungswidrigkeit laut Außenwirtschaftsgesetz ist noch nicht ausgeräumt. Eine neue Hiobsbotschaft ereilte das Unternehmen Ende der Woche: Israel stornierte den Auftrag zum Bau von zwei U-Booten. Der „Schiffbruch“ kam nach einem jahrelangen internationalen Finanzierungspoker mit grotesken Zügen.
Wegen eines neuen Geschäfts stand die HDW-„Denkfabrik“ Ingenieur-Kontor Lübeck (IKL) bereits 1986 in engem Kontakt mit Israel, und die Werft richtete eine Voranfrage an die Bundesregierung. Der Neubau der U-Boote war dann über vier Jahre lang Gegenstand verwirrender Verhandlungen zwischen israelischen, deutschen und amerikanischen Unternehmen und Politikern. Als Tel Aviv und Bonn sich im Sommer 1990 so gut wie einig waren, rückten Finanzfragen in den Vordergrund. Der Versuch, das deutsche Werftenkonsortium in Verrechnung zum Kauf israelischer Waren und Dienstleistungen zu verpflichten, scheiterte offenbar ebenso wie der Gedanke, der Bund solle Zahlungen stunden oder vorfinanzieren. Die USA protestierten dagegen, daß 60 Millionen Dollar ihrer Militärhilfe für die Kampfausrüstung der neuen U-Boote bei der deutschen Firma Krupp-Atlas investiert werden.
Israels endgültige Entscheidung mußte bis zum 30. November fallen. Eine spätere Absage hätte hohe Entschädigungen bedeutet. Am Stichtag teilte Verteidigungsminister Mosche Arens mit, sein Staat verzichte auf das 570-Millionen-Dollar-Projekt. Israel bevorzuge Ausgaben für andere moderne Waffensysteme. Damit können nach Ansicht von Beobachtern nur Anlagen gegen die Bedrohung aus dem Irak gemeint sein. 40 Millionen Dollar, die der Auftraggeber dem deutschen Konsortium samt Thyssen-Nordseewerke Emden (Niedersachsen) bisher zahlte, fließen größtenteils nach Israel zurück.
Die HDW-Oberen hüllten sich nach dem U-Boot-Flop zunächst in Schweigen. Schleswig-Holsteins Finanzministerin Heide Simonis (SPD), die noch einen 25,1-prozentigen Landesanteil an der Großwerft verwaltet, sprach von „windigen Sachen“. Mit Waffenlieferungen in Spannungsgebiete könne man „keine dauerhafte Geschäftspolitik aufbauen“. Der sozialdemokratische Rüstungsexperte und Obmann seiner Partei im U-Boot-Ausschuß, Norbert Gansel, meinte, das Rüstungsprojekt sei „von vornherein eine unsichere Kiste“ gewesen, die Stornierung sollte dem Unternehmen eine nachhaltige Lehre sein.
HDW-Vorstandschef Klaus Neitzke hatte Ende September verkündet, daß die Werft mit einem Auftragswert von rund 5,5 Milliarden Mark (mit 14 Container- und 28 Marineschiffen) bis Mitte 1993 voll beschäftigt ist. Die Auslastung verteile sich zur Hälfte auf Handelsschiffe und zu je einem Viertel auf Reparaturarbeiten und Marineschiffe. Im Militärbereich werde die europäische Abrüstung keine tiefgreifenden Einschnitte bringen, denn auf diesem Sektor betrage die Exportquote für die Dritte Welt 80 Prozent. Erhard Böttcher
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen