Wehrpflicht von der Spree bis zum Golf

■ »Männer und Militär«: Im Männerladen »mannege« diskutierte Mann die großdeutsche Wehrpflicht

Berlin. Im Männerzentrum »mannege« wurde am Freitag abend das Thema »Männer und Militär« diskutiert. Eingeladen war Christian Herz, Mitbegründer der »Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär«, der die historischen Kontinuitäten von Staat und militärischer Organisation in den Mittelpunkt stellte. Nicht von ungefähr geht mit der Neukonstruktion von Großdeutschland die totale Erfassung aller wehrdienstfähigen Männer in Berlin und dem neugewonnenen Territorium der Ex-DDR einher, wird über die Bereitstellung deutscher Truppen für den Golfkrieg diskutiert, wird mit Hubschraubern und Gaseinsatz in Berlin der Bürgerkrieg erprobt. Der deutsche Staat befindet sich nicht zum ersten Mal im Zustand der Mobilmachung.

Angefangen hat die allgemeine Wehrpflicht so richtig mit Napoleon, der einmal stolz zu Metternich sagte: »Ich kann pro Monat 30.000 Soldaten verbrauchen.« Das konnte er sich in der Tat leisten, denn zum ersten Mal in der Geschichte wurde hier ein ganzes Volk kriegsfähiger Männer eingezogen. Seinen Ruf als Feldherr und Kriegsstratege gewann Napoleon aufgrund der Systematik, mit der er seine Soldaten beim Sturm auf die Festungen verheizte.

In Preußen wurde Napoleons Idee vom »Volksheer« perfektioniert, auf Scharnhorsts Rat führte man die allgemeine Wehrpflicht ein, mit der die Notwendigkeit einer flächendeckenden Erfassung des Volkes einherging. Der bürokratische Apparat, der sich hierfür im 19. Jahrhundert etablierte, fußte auf der Registrierung von Wehrpflichtigen zum Krieg nach außen und der von Straftätern und Oppositionellen im Krieg nach innen.

Seit der Industrialisierung des Abschlachtens im Ersten Weltkrieg entwickelte sich eine immer umfassendere Kriegspropaganda, die das heroische Bild des Soldaten, lädiert in der Tötungsmaschinerie der Materialschlachten, in immer neue Formen transformierte. Von der Propagandamaschine, mit der im Faschismus die Mobilmachung auf das gesamte gesellschaftliche Leben übertragen wurde, ließen sich Parallelen ziehen zum medialen Ereignis »Volk ohne Öl«, mit dem derzeit ein ganzer Staat von Autofahrern in Alarmbereitschaft versetzt wird.

Mit welchen Aktionen könnte der Mobilmachung entgegengewirkt und die Wehrerfassung hier in Berlin gestört und verhindert werden? Dies war die zentrale Frage in der anschließenden Diskussion. 15.000 Einberufungsverfahren sind derzeit eingeleitet worden, erst unrechtmäßig über die westdeutschen Kreiswehrersatzämter, nun über die beiden inzwischen arbeitsfähigen Berliner Kreiswehrersatzämter.

Neben der Behinderung der Arbeit der KWEA ist besonders der Aufbau eines umfassenden Beratungsnetzes — die vorhandenen Stellen sind mit bis zu 1.000 Ratsuchenden in der Woche völlig überlastet; wenn die Erfassungswelle im nächsten Jahr auch auf die gebürtigen Berliner zurollt, droht den Beratungsstellen der Kollaps. Mit konzertierten Aktionen aller WehrdienstgegnerInnen könnte, so diagnostizierte Christian Herz optimistisch, »der Zeitpunkt gekommen sein, wo durch eine umfassende Blockade auch auf dem Gebiet der ehemaligen DDR die allgemeine Wehrpflicht aus den Angeln gehoben werden kann«.

Daß die moderne Kriegsführung mittlerweile weitgehend auch ohne Soldaten funktionieren kann, wurde am Freitag abend nicht diskutiert — ebenso wie die Faszination, die das Militär zweifellos auf die Mehrheit der Männer ausübt. Simone von Stosch