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„Hier ist alles so ähnlich wie in Rostock“

■ Rostock — Warschau — Bremen: Stationen einer Elektrotechnik-Studentin / „Hier bezieht sich jetzt leider alles auf die Ebene des Geldes“

Die Rostockerin Margit B. (22) studiert seit einem halben Jahr in Bremen Elektrotechnik mit dem Schwerpunkt Automatisierungstechnik. Zuvor hat sie dreieinhalb Jahre in Warschau studiert. Die taz fragte sie nach ihren Erfahrungen im Westen.

Ist Dir an Bremen schon gleich etwas aufgefallen?

Margit B.: Im Vergleich zur Warschauer Uni beschäftigen sich die Studenten der Elektrotechnik hier ja kaum mit Politik, gerade dort sind die Wände nicht beschmiert und auch die Treppenhäuser nicht bemalt.

Die Bremer Elektrotechniker sind unpolitisch?

Ja, vielleicht ein bißchen. In Warschau war das Studium viel vollgestopfter als hier, da hatten wir mehr Druck durch die Prüfungen. In Warschau haben wir zu dritt in einem Zimmer gewohnt — also wirklich sehr beengt. Von den Lebensumständen ist es hier viel einfacher. Aber die politischen Diskussionen fehlen fast ganz.

Hast du in Bremen denn woanders eine Szene gefunden, die du attraktiv findest?

Bis jetzt habe ich noch gar keine Zeit gehabt, so etwas kennenzulernen. In diesem Semester versuche ich erstmal alles nachzumachen, was mir noch fehlt, und nebenbei arbeite ich noch. Oft kann ich gerade noch einkaufen gehen, und wenn ich um sieben zu Hause bin, dann mach ich mir Abendbrot, lese vielleicht noch ein paar Seiten und gehe ins Bett.

Das Bremer Leben lockt Dich so wenig, daß die Uni vorgeht?

Na ja, ich versuche schon manchmal noch in eine Ausstellung zu gehen, z.B. im Dom zu der Anne-Frank- Ausstellung — sowas in der Art.

Die Delegation zum Auslandsstudium muß dich doch ziemlich an die DDR gebunden haben. Jetzt gibt es diesen Staat nicht mehr. Fehlt dir etwas?

Es ist ja so, daß ich persönlich die Vorteile dieses Staates genossen habe. Ich konnte zur Schule gehen, ich konnte studieren, ich habe schon ab der 12. Klasse Stipendium bekommen. Im Ausland habe ich auch mein Geld bekommen, ich hatte schon einen Arbeitsvertrag unterschrieben...

Am Anfang, als ich die ersten Demonstrationen von Warschau aus gesehen hab, da ging es ja noch um einen lebenswerteren Sozialismus. Da hatten wir noch Hoffnung, daß die Probleme, die es gab, endlich mal angegangen werden. Aber nun ist das ja ganz umgeschlagen.

Und die Automatisierungstechnik führt dich jetzt direkt ins Herz des Kapitalismus...

Früher bin ich doch immer davon ausgegangen: Ich mach was für andere und andere machen was für mich, und das ist in Ordung. Da brauchte ich nicht weiter an mich denken. Denn ich wußte ja, ich habe immer genug Geld zum Leben, das würde nie ein Problem geben.

Das ist jetzt weg, und das finde ich auch ein bißchen schade. Jetzt bezieht sich halt doch alles auf die Ebene des Geldes.

Deswegen kümmerst du dich jetzt auch drum?

Na ja, ich muß soviel haben, daß ich leben kann, daß ich mich soweit ernähren kann, daß ich gesund bleibe und irgendwie unterkommen kann. Obwohl ich im Moment nicht darauf ziele, das Studium so schnell wie möglich zu beenden, um dann einen Haufen Geld zu verdienen.

Obwohl du das mit dem Beruf ja sicher könntest.

Ja, mit der Fachrichtung liege ich gerade richtig. Aber in Bremen bin ich nun auf die Umwelttechnik gekommen, Windkraft und so etwas interessiert mich.

Hast du deinen Glauben an den Sozialismus durch den Glauben an die Ökologie ersetzt?

Vorher habe ich mir ja darüber gar keine Gedanken gemacht. Ich ging davon aus, daß alles, was produziert wird, dazu produziert wird, daß andere ihren Nutzen haben. Während es ja jetzt gilt, mit dem, was produziert wird, für den jeweiligen Konzern soviel Geld wie möglich zu erwirtschaften. Da läuft halt auch die Umwelttechnik nur in dem Rahmen, in dem sie der Wirtschaft Gewinn bringt.

Aber trotz alledem entspricht mir die Umwelttechnik doch vielleicht etwas mehr als die Produktion von Robotern, die dann Autos bauen.

Wenn du zurückblickst — hat sich der Weg nach Bremen gelohnt?

Ja, das hat sich gelohnt. Denn Warschau als Stadt ist mir einfach zuviel geworden. Da ist soviel Verkehr, das ist eben eine Großstadt. Und weil ich von Rostock komme und das so nicht gewohnt war, ist mir dieser Autolärm, diese vollgestopfte Straßenbahn einfach zuviel geworden.

Hier in Bremen gibt es Fahrradwege, Sprache und Mentalität sind mir vertraut, hier ist die Küste in der Nähe, hier habe ich mich zu Hause gefühlt. Es ist einfach alles so ähnlich wie in Rostock. Fragen: Dirk Asendorpf

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