: Fliegender Kerzenständer
■ »Der schweigende Stern« — Ein DDR-Science-fiction von Kurt Maetzig
In den letzten Jahren erfreute sich eine wachsende Fangemeinde an obskuren Ausgrabungen aus dem Science-fiction-Genre. Mit der »Raumpatrouille Orion« begann die Hatz auf die verborgenen TV-Schätze der eigenen Pubertät. Jetzt kann man — wenn man Glück und Kabel hat — die alten Raumschiff Enterprise-Staffeln wieder im Wohnzimmer landen lassen. Die Generation, die sich in den letzten beiden Jahren in schummerigen Off-Kinos drängte, um über Dietmar Schönherr, seine Mann/Frauschaft und ihre fliegende Frisbeescheibe samt integrierten Bügeleisen herzhaft abzulachen, hat in ihrer Kindheit dieselbe Serie bereits gesehen. Damals glaubte man noch, so könnte es einmal sein. Heute sind wir im Grunde froh, daß uns auch in 20 Jahren Tagesschau-Berichte und Statements aus Captain James T. Kirks Computerlogbuch (»Und vergeßt nicht, eure Phaser auf Betäubung zu stellen«) erspart bleiben. Das Weiße Haus reicht uns.
Denselben Effekt mit umgekehrten ideologischen Vorzeichen fördert Der schweigende Stern zutage. Der Film enstand 1956 in Koproduktion von DEFA und Film Polski nach einem Roman von Stanislaw Lem. Auf der Erde wird eine Spule gefunden, die ganz eindeutig von der Venus stammt, deren gespeicherte Botschaft aber noch nicht vollständig entschlüsselt werden konnte. Also wird unter der Schirmherrschaft des unverbrüchlich verbundenen sowjetischen Brudervolkes eine internationale Besatzung — natürlich aus den fähigsten Köpfen — zusammengestellt, um zur Venus zu fliegen, wegen der Völkerfreundschaft alles hübsch quotiert: ein Chinese, ein Sowjetmensch, ein Ami, ein Afrikaner, eine Japanerin, ein Inder und ein DDRler.
Die brechen nun also in einem nur notdürftig umgebauten, gedrungenen Kerzenhalter auf, um sich der anderen intelligenten Lebensform im Sonnensystem durch und durch freundschaftlich zu nähern. Abgesehen von der wunderbaren Weltfremdheit, die noch nicht mal im Traum daran denkt, daß man einen fremden Planeten ja auch unterwerfen und ausbeuten könnte, bekommt man im Verlauf des Streifens eher den Eindruck, daß nicht einmal der Regisseur Kurt Maetzig (immerhin Professor und Mitbegründer der DEFA) von der Intelligenz seiner eigenen Lebensform sonderlich überzeugt gewesen ist.
So fliegen sie also mehr oder weniger ereignislos, auch schwere Meteoritenstürme dienen nur als Anlaß zu Wackelanfällen der Kamera, wäre da nicht der Ostler, dessen eigentliche Funktion im Rahmen der Mission (außer das Produktionsland zu repräsentieren) eigentlich bis zum Ende mehr als schleierhaft bleibt, der für eine gewisse sexuelle Auflockerung sorgt. Er scheint es sich zur Aufgabe gemacht zu haben, seine durch Nutzlosigkeit begründete freie Zeit damit zu nutzen, der japanischen Ärztin auf das peinlichste nachzustellen, nur weil er irgendwann vorher die Leiche ihres Mannes vom Unglücksort in den Sarg schaffte. Glücklicherweise bleibt uns die nahezu unvermeidlich erscheinende Liebesgeschichte erspart, denn gerechterweise muß er dran glauben, per Unendlichkeitstod.
Zwar bemüht sich der Streifen, einen idealistischen Internationalismus und Völkerverständigung zu predigen, diskreditiert seine propagandistischen Bemühungen aber nicht nur durch seine eigene Peinlichkeit. Der Schwarze hat den dämlichsten und überflüssigsten Job. Er ist nämlich »Kommunikationsoffizier«. Dumm für ihn ist nur, daß bereits nach ungefähr einem Drittel der Weltraumreise der Funkkontakt zur Erde abbricht. So was ist doch nicht gerecht. Immerhin wird er dann nicht zum Putzen der Raumschiffdecks verdonnert.
Auch bei der nationalen Verteilung der Todesopfer geht es keineswegs fair zu. Der Ostler darf den Märtyrer spielen, und mit ihm müssen der Chinese und der Afrikaner draufgehen, womit fast nur Weiße übrigbleiben, mal abgesehen von der schnuckeligen japanischen Ärztin und dem durchgeknallten indischen Mathematiker, der den ganzen Film über in einem Affenzahn auf klitzekleine, aber dafür sehr poppig bunte Tasten einhaut und dazu unter Augenbrauen wie von Theo Waigel auf nichtssagendes Geflimmer starrt.
Die rührendste Peinlichkeit ist aber der Oberastronautenchef der Amerikaner, der seinem Schäfchen das Mitfliegen ausreden will. Der wurde eindeutig von Erich Honecker synchronisiert. Welche stasi-stalinistische Gemeinheit dahinter steckt, blieb mir allerdings verborgen. Thomas Winkler
Der schweigende Stern , DDR/ Polen 1959, 80min, Regie: Kurt Maetzig, mit Yoko Tani, Oldrich Lukas, Ignacy Machowski, Julius Ongewe, Günther Simon, Michail N. Postnikow u.a., FSK ab 12.
Ab 6.12. um 21.30 und 23.30 Uhr im Sputnik Wedding, Freitag und Samstag um 23.30 Uhr im Doppel mit »Raumpatrouille Orion«.
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