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■ Embryo

Embryo ist keine Band, sondern eine Bewegung; von hier nach dort, von München nach Indien, Afrika, Türkei, Sowjetunion; nach Schleswig-Holstein, um die verbliebenen Landkommunarden zu erfreuen. (Uli, der Tischler, macht sich auf und nimtm Tommi, den Gärtner, mit, und Bille backt die Haschplätzchen und dann sitzen sie wieder im Schneidersitz, in Orten, die heißen »Auenland« oder so ähnlich; sind ein paar Jahre älter oder nachgewachsen und finden »verbieten ist verboten« oder »mach, was du willst« oder freundlicher: »Folge Deinem Herzchen«)

Ungefähr dreihundert MusikerInnen waren mittlerweile Embryo. An zwei erinnert man sich, sie blieben oder sind wieder dabei — Roman Bunka und Christian Burchard. Seit mehr als zwanzig Jahren.

Während ihre verabscheuungswürdige Abspaltung — die Dissidenten — mit kolonialistischem Ethnopop angefangen haben, ein bißchen Kohle zu machen, haben Embryo nie wirklich den Weg zum Pop gefunden. (Mögen sie auch dort in Indien oder anderswo gerade als westliche Popband gefeiert worden sein und komisch angeguckt, wenn sie sich mit Einheimischen vermischten.) Odt waren sie nur kurz davor, doch blieben zu nurz nur im Studio, an einem Ort. Oder waren zu höflich. Oder rauchten lieber ein bißchen; glücklich, daß sie über die Grenze gekommen waren.

Das heißt: Embryos reisen vor allem, Embryos sind noch nicht fertig, kommen also noch nicht an. Embryos sind zu verliebt in den Weg und zu neugierig, um dem Konzept des sanften Tourismus aufzusitzen, Also fahren sie irgendwo hin und finden dort andere Musikformen und Musiker, die ihre eigenen Musik besser spielen können, weil man manchmal ein Leben braucht, um das eigene Instrument richtig zu beherrschen. Entscheident ist der Respekt, die die Embryos anderen Musikkulturen entgegenbringen.

In einem Interview mit dem »Sonntag« erzählt Christian Burchard von den afrikanischen Yorubas: »Bei denen stehen sogar nachts die Haustüren offen und nix wird geklaut. Sie verbeugen sich zehnmal am Tag voreinander und sind sowas von nett und gastfreundlich.« Statt ethnopopmäßig zu klauen, verbeugen sich auch die Embryos und kriegen was geschenkt oder jemand begleitet sie.

Man lernt voneinander, ohne sich zu vermischen. Eine Zeitlang tourt man zusammen — ein Konzert, eine Tournee, eine Platte und so gibt es eigentlich auch keine Hits, die das Publikum wiedererkennen könnte im Konzert. Es gibt Melodien, Rhythmen, Erinnerungen, Athmosphären, Parts, die man zu kennen meint — dann sind sie schon woanders — Experimente, Patchwork, Viertelnoten. Die Konzerte variieren je nach Besetzung. Mal dominieren Jazz-Elemente, mal versucht man rockig zu sein, mal verlieren sie sich irgendwo (in Afrika oder Indien oder Afghanistan) und kommen zurück. Für die Freunde guter Musik als ungefähr zum 120ten Mal in Berlin. (ab 21 Uhr im Klub JoJo) Detlef Kuhlbrodt

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