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Chronische Geschichte

■ Ein Streifzug durch das sporthistorische Chaos WIR LASSEN LESEN

Zunächst will er erst einmal auf die Waage gelegt, vermessen und quantifiziert werden, dieser klotzige Buchziegel. Fett und bunt, wie er sicherlich vom weihnachtlichen Gabentisch zum eben solchen Gänsebraten hinüberglänzen soll. Leute, die ihre Bücher nach Gewicht kaufen, dürfen sich über 3,2 Kilo freuen. Wer Regalmeter machen will, der schafft 0,07 Meter davon, was auch nicht eben schlecht ist. Die Resterfassung ergibt: 1.008 Seiten, Ganzleinen, 220 Kalendarien mit 6.600 Einträgen, 1.815 Artikel über die Sternstunden des Sports, 3.000 meist farbige Abbildungen.

Wer regelmäßige Kundgänge durch Bahnhofsbuchhandlungen und andere Bücherstuben unternimmt, in denen Bücher vornehmlich von mannshohen Stapeln verkauft werden, wird schon ahnen, womit wir es hier zu tun haben. Der „Chronik Verlag Harenberg“ hat wieder zugeschlagen. Die Chronik des Sports folgt einer Reihe von Vorgängern, die bereits die Deutschen, die Menschheit, die Technik, Bayern, Berlin oder das Ruhrgebiet chronisch erfaßt haben. Wahrscheinlich wird in den Harenbergschen Geschichtswerkstätten an der B1 in Dortmund mehr Geschichte gemacht als irgendwo sonst in Deutschland.

Der Sport fängt übrigens in der Vorgeschichte an (Aufrechter Gang und ausdauernder Lauf) und endet bei der Fußball-WM in Italien, wobei — rein chronisch betrachtet — die WM allerdings doppelt so lang war: Die Vorgeschichte bekommt vier Seiten, die WM acht. Dazwischen findet der Rest statt.

Schon bald ist der Leser, der eigentlich blätternder und überfliegender ist, verschwunden im Gewirr der Kurzartikel und vielen hundert Abbildungen. Denn das alles ist schließlich interessant: Der Beginn der Zeitmessung im Sport 1731, die frühesten Sportbriefmarken von 1890, die Einweihung des Grunewaldstadions 1915, das Wunderauto von Alfa Romeo von 1931, der 17jährige, der bei der Olympiade 1948 in London siegt, der Zielfotoentscheid beim Kentucky-Derby 1959, der WM-Sieg 1974 von Hartwig Steenken im Springreiten, die Squashelite, die Pakistan 1988 stellt und die Olympiaden und Weltmeisterschaften und natürlich all die Fotos und alten Stiche und Gemälde.

Ständig wird auf allen Seiten für Appetit gesorgt, aber die Geschichte eilt zum nächsten Ereignis davon, und so kann der Hunger darauf, mehr wissen zu wollen, nicht gestillt werden. Die fast zweitausend kurzen Einträge müssen zwangsläufig fast alles offenlassen. Die Kalendarien geben eine Übersicht, die natürlich auch nur eine Anhäufung ist. So sind dann die bescheidenen Übersichtsartikel (Die Ära der Weltkriege und der Weltgeltung des Sports) völlig überfordert, das Chaos der Geschichte zu ordnen und tun es auch nur lustlos.

Aber es soll auch eine Chronik sein und kein Geschichtsbuch, da muß man eben gucken, wie man damit zurechtkommt. Und interessant ist es auch, und ein gutes Weihnachtsgeschenk für jemanden, den man nur mäßig mag. Christoph Biermann

Walter Umminger (Hrsg.): Die Chronik des Sports. Chronik Verlag, 98 D-Mark (Einführungspreis).

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