AL auf der Suche nach einem neuen Profil

■ Mitgliedervollversammlung beschloß generelle Strukturreform/ Zukünftige inhaltliche Stoßrichtung noch unklar/ Realo-Antrag abgeschmettert

Berlin. Die AL hat zu Recht die Wahl verloren. Diesen Schluß zog der dem Realo-Flügel zuzurechnende AL-Abgeordnete Michael Cramer auf der Mitgliedervollversammlung am Samstag aus dem Wahldebakel vom 2. Dezember. Die AL habe sowohl die rot-grüne Koalition in der Öffentlichkeit nicht ausreichend gut dargestellt, wie auch zum bestimmenden Thema Deutschlandpolitik nichts beitragen können. »Wo sind sie, die Apologeten der Zweistaatlichkeit?« fragte Cramer provozierend in die Runde der etwa 400 Anwesenden.

Doch die in einem Antrag der Realos Schraut, Volkholz, Büttner, Cramer und Michaelis geforderte Kritik an der bisherigen Berlin- und Deutschlandpolitik sowie eine Analyse der »mangelhaften Regierungskunst in der rot-grünen Koalition« wurde auf der Versammlung mehrheitlich abgeschmettert. Angenommen wurde dagegen nach mehrstündiger Debatte eine Beschlußvorlage von Wendt, Wieland und Wachsmuth, die eine Antwort auf die künftige inhaltliche Stoßrichtung der Partei jedoch noch völlig offen läßt: Die in dem Papier angemahnte Suche nach eigenen Fehlern und Schwächen konzentriert sich erst einmal auf die Veränderung der Organisationsstruktur. Diese, so heißt es, sei offensichtlich weder geeignet, die eigenen Mitglieder ausreichend in die Entscheidungsprozesse einzubeziehen, noch hilfreich nach außen ein attraktives Politikmodell darzustellen. Deshalb sollten sich alle Bezirke und Bereiche der AL an der Vorbereitung einer »radikalen Strukturreform« beteiligen, spätestens im nächsten Frühjahr müsse man die Konsequenzen aus den jetzt anstehenden Auseinandersetzungen ziehen. Dann soll auch ein neuer Vorstand gewählt werden. Darüber hinaus wurden Rufe laut, die Mitgliedervollversammlung als oberstes Entscheidungsgremium abzuschaffen und statt dessen eine Landesdelegiertenkonferenz einzurichten.

Weder der von Ursula Köppl vorgebrachte Vorwurf der Arroganz gegenüber großen Teilen der Bevölkerung noch die von den Realos formulierte Kritik an der zunehmenden Abkapselung der Partei von reformorientierten Kräften fanden Eingang in den verabschiedeten Antrag. Statt dessen wurde damit gehadert, welches Profil die Partei in Zukunft haben soll. Die Wiedergewinnung einer ökologischen und sozialen Perspektive forderte Michael Cramer. Nach den Worten der Fraktionsvorsitzenden Renate Künast soll die AL vor allem weiterhin die herrschende »politische Kultur« in Frage stellen, um sich nicht in eine »grüne FDP« zu verwandeln. Jochen Esser warnte davor, daß sich die Partei zu sehr am Mittelstand orientiert. Laut Michaele Schreyer habe man jedoch auch mit der PDS nicht allzu viel gemeinsam. Die Realo-Forderung, die sofort die Entwicklung einer alternativen Konzeption zur Bewältigung der sozialen und ökologischen Probleme Berlins als eigenständigen Beitrag der AL verlangte, wurde mehrheitlich abgelehnt.

Bei Veranstaltungen in den kommenden Wochen soll die Öffentlichkeit zur Kritik an der bisherigen AL- Politik herangezogen werden. maz