Wird die Humboldt-Universität abgewickelt?

■ Senatsvorlage mit Abwicklungsplänen für die Humboldt-Universität bekanntgeworden/ Wissenschaftssenatorin Riedmüller bestreitet Pläne zur Auflösung ideologisch belasteter Bereiche/ Rektor plädiert für selbstbestimmte Erneuerung von innen

Mitte. Ein Gespenst geht um in Ostdeutschland. Es heißt im Beamtendeutsch »Abwicklung«, man könnte es auch geordnete Auflösung nennen. Zum ersten Mal seitdem die Humboldt-Universität durch das Mantelgesetz vom Land Berlin als Kuratorialhochschule übernommen wurde, sind entsprechende Abwicklungspläne bekanntgeworden. Gegen dieses Verfahren wehrt sich die Humboldt-Uni energisch. Eine seit Tagen kochende Gerüchteküche verunsichert Mitarbeiter und Studenten vor allem der als ideologisch belastet geltenden sozialwissenschaftlichen Fachbereiche.

Wohl nicht zu unrecht, denn die entsprechenden Passagen aus einer Senatsvorlage wurden dem Rektor der Humboldt-Uni, Heinrich Fink, auf Nachfrage von einem Mitarbeiter der Senatsverwaltung vorige Woche noch bestätigt. Welche Bereiche dies tatsächlich betrifft war nicht herauszubekommen. In einzelnen Gesprächen und sich oft widersprechenden Informationen war aber immer wieder von der Charité, den Geistes- und Sozialwissenschaften, den Rechtswissenschaften und der gesamten Verwaltung der Universität die Rede. Eine Abwicklung dieser Bereiche im Sinne des Einigungsvertrages würde bedeuten, die Arbeitsverhältnisse sämtlicher Mitarbeiter ruhen zu lassen. Innerhalb von sechs Monaten könnte über eine »Weiterverwendung des Beschäftigten« entschieden weren.

Niemand an der Humboldt-Uni zweifelt daran, daß es notwendig ist, im Zuge einer Erneuerung der Universität umzustrukturieren und Kündigungen für belastete Wissenschaftler auszusprechen. »Wir sind keine auf Besitzstand beharrende Universität«, ging Fink auf einer gestern eilig einberufenen Pressekonferenz in die Offensive. Seit Monaten werde darum gerungen, die politische Vergangenheit bestimmter Fachbereiche der Humboldt-Uni aufzuarbeiten. Neben der Rehabilitationskommission arbeitet inzwischen ein Ehrenausschuß, der sich mit politisch belasteten Mitarbeiter auseinandersetzt, Einzelfälle überprüft und wenn notwendig zur Kündigung rät. Dieser Prozeß würde fortgesetzt, sagte Fink, aber er würde sich nicht die Autonomie der Universität nehmen lassen und wenn es sein muß auch rechtliche Schritte gegen derartige Abwicklungspläne einleiten.

Der Rektor plädierte für eine Lösung, die von Kontinuität und Erneuerung getragen wird, die allerdings Zeit brauche. Die »Abwicklung« würde das Ende einer selbstbestimmten Erneuerung von innen bedeuten. Nach Finks Vorstellungen sollten sich sämtliche Fachbereiche von ideologisch belasteten Mitarbeitern trennen. Einige Bereiche haben dazu inzwischen kleine Ehrenausschüsse gebildet. Freigewordene Stellen müßten bundesweit ausgeschreiben werden, so daß eine »gemischte« Universität entstehe.

Senatorin bestreitet Abwicklungspläne

Große Unruhe und Konkurrenzangst an der Universität sind auch durch Pläne entstanden, die besagen, daß verschiedene Bereiche von Instituten der Akademie der Wissenschaften an die Uni angegliedert werden sollen. Noch-Wissenschaftssenatorin Barbara Riedmüller-Seel bestritt die aus ihrem Haus bekanntgewordenen Vorhaben: »Ich wickle die Humboldt-Universität nicht ab«, antwortete sie gestern auf besorgte Fragen von Uni-Mitarbeitern. Sie wisse überhaupt nicht, woher diese »Phantasien kommen«. Gleichzeitig jedoch war von der SPD-Senatorin zu erfahren, daß es Einzelabwicklungen im Hochschulbereich geben wird. Dies betreffe jene Fächer, »in denen dominant ideologische Funktionen vorherrschten«. Die Eile der Senatsverwaltung ist verständlich. Nur noch bis zum 31. Dezember sind all diese Pläne durchführbar. Ab 1991 wäre die Auflösung von Bereichen oder die Pauschalentlassung von Mitarbeitern nicht mehr möglich, weil dann die Humboldt-Uni dem Land Berlin gehört. Anbau