Erpreßte Leidenschaften

■ Ärztlicher Barbesucher mußte teuer zahlen

“Sie fuhr mit dem Taxi von Delmenhorst nach Bremen und ließ sich dort von Boutique zu Boutique fahren.“ „Sie fuhr zum Roland-Center. Ich mußte warten, bis sie mit dem Einkauf fertig war.“ Aussagen von TaxifahrerInnen spielten eine große Rolle gestern vor dem Bremer Amtgericht. „Rechnungen zwischen 100 und 150 Mark waren nicht selten. Sie zeigte mir 4.000 Mark, die sie von ihrem Onkel, einem Arzt, erhalten hatte.“

Annegret R., 39 Jahre, aus Delmenhorst, hatte keinen reichen Onkel. Sie erpreßte einen 62-jährigen Arzt, den sie während eines Wochenendes, an dem sie in der „Studio-Bar“ arbeitete, kennengelernt hatte. „Du bist zu schade für diese Arbeit“, fand er, lud sie zu sich nach Hause ein und gab ihr immer wieder Geld — zunächst freiwillig und dann, weil sie ihn mit Geschichten „nervte“.

Das war nur das „strafrechtlich nicht relevante“ Vorspiel der Erpressung, für die Annegret R. gestern verurteilt wurde. Nachdem sie nämlich für einige Wochen die Geldbettelei aufgegeben hatte, meldete sie sich wieder bei dem Arzt. Diesmal telefonisch und als „Ina“, die von ihm schwanger sei und nun für die Abtreibung Geld brauche. Der Arzt — der in der Bar während seiner Notdienstzeiten „Kaffee trinken ging“ — glaubte es und zahlte. Aus den Anrufen wurden Drohbriefe. Ein türkischer Freund „Ahmed“ schrieb gebrochen deutsch: „Will neue Leben in Türkei anfangen, Geld sofort, sonst ich mache Praxis kaputt.“ Der Arzt zahlte, weil er um seinen Ruf fürchtete — mindestens 22.000 Mark. Mit den „freiwilligen“ Zahlungen sollen es bis zu 100.000 Mark sein. Genau weiß er es nicht. Von Mai bis Oktober 1989 läßt er sich die Erpressung gefallen, dann informiert er die Polizei.

Annemarie R., Mutter von zwei Kindern und verheiratet mit einem Postbeamten, will von ihrem ausschweifenden Leben nichts wissen. Alkoholprobleme und Schulden bringt sie als Rechtfertigungen vor. Später habe sie fast alles Geld dem türkischen Freund gegeben, dessen Nachnamen sie nicht weiß.

Ob es Ina oder Ahmed überhaupt gegeben hat, bezweifeln Richter Wulf und Staatsanwalt Nullmeyer. Das Urteil entspricht schließlich dem Antrag des Staatsanwaltes: 10 Monate auf Bewährung für die Dauer von vier Jahren. Der Arzt wird sein Geld wohl nie wiedersehen. Kommentar des Richters: „Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um.“ bear