Anzeige gegen die Polizei? — Zwecklos!

■ Wenn Beamte prügeln, zeigen sie ihre Dienstkarte eben doch nicht/ 1.-Mai-Verfahren eingestellt/ Ob Noch-Innensenator Erich Pätzold (SPD) auch weiterhin auf die Dienstkarte setzen kann?

Berlin. Wenn er danach gefragt wurde, war Innensenator Erich Pätzold nie um die Antwort verlegen. Polizeibeamte bräuchten nicht gekennzeichnet zu werden, weil sie schließlich eine Dienstkarte haben — und die müssen sie auf Verlangen herausgeben, erklärte der SPD-Senator wie vom Band. Jetzt wird auch er eines Besseren belehrt. In neun Verfahren, die anläßlich der Randale am 1. Mai dieses Jahres, während der es auch zu Übergriffen von Polizeibeamten kam, gegen Polizisten geführt wurden, ist bisher in keinem Fall Anklage erhoben worden. In zwei Verfahren wird noch ermittelt, und vier sind bereits eingestellt worden, weil »ein Tatverdächtiger nicht ermittelt werden konnte«. Erinnern wir uns kurz an die Vorfälle:

Görlitzer Bahnhof, 21.05 Uhr: Ein »Störer« wird festgenommen und erleidet dabei Schürfungen am Hals, an den Armen und im Gesicht, Bruchrisse an beiden Speichenknochen, Teilabbruch eines Eckzahnes und Schädelbruch. Die vier festnehmenden Beamten sind bekannt. Über den Fortgang des Verfahrens ist noch nicht entschieden.

Skalitzer-, Ecke Mariannenstraße, 22.30 Uhr: Ein Fotograf und eine Fotografin, die für den 'stern‘ arbeiten, werden von zwei Polizisten verprügelt. Ein Beamter konnte identifiziert werden. Die Staatsanwaltschaft hat noch keine Anklage erhoben.

Heinrichplatz, 23.00 Uhr: Einem Zivilbeamten wird auf den Kopf geknüppelt, zwei weitere Polizisten schlagen weiter auf ihren verletzten Kollegen ein. Verfahren eingestellt.

Kottbusser Straße, 23.45 Uhr: Ein Jugendlicher wird »rüde behandelt« (Abgeordneter Albert Eckert), die Beamten verweigern die Herausgabe der Dienstkarte. Verfahren noch nicht abgeschlossen.

Naunynstraße 11, 0.10 Uhr: Der Sprecher des Landeselternausschusses wird von einer Hauswand abgedrängt, fällt zu Boden, Polizisten schlagen und treten auf den Mann ein. Verfahren eingestellt.

Naunynstraße, 0.12 Uhr: Ein Jugendlicher wird von Polizisten geschlagen, die aus dem Wagen B-7283 ausgestiegen waren (Zeugin Abgeordnete Lena Schraut). Verfahren wegen unterlassener Hilfeleistung eingestellt.

Skalitzer Straße, 0.45 Uhr: Ein am Boden liegender Schüler wird von sechs Beamten verprügelt, zum Polizeifahrzeug geschleift, getreten und im Fahrzeug erneut verprügelt. Über den Fortgang des Verfahrens ist noch nicht entschieden.

Naunynstraße 87/88, 0.50 Uhr: Eine Zivilpolizistin wird gegen die Hauswand gedrückt und von einem Polizisten in den Hintern getreten. Sieben weitere Beamte schlagen mit ihrem Schutzschild auf die Frau ein, die zu Boden sinkt. Trotz Nennung des Kennworts weiter Fußtritte und Schläge. Ermittlungen dauern an.

Wiener Straße, 1.30 Uhr: Zwei Beamte halten einen SFB-Kameramann fest, ein dritter schlägt mit seinem Knüppel zweimal auf die linke Schulter und gegen den Hals. Verfahren eingestellt.

Hätten Polizeibeamte ihre Dienstkarte hinterlassen, wären die Ermittlungen sicher erfolgreicher gewesen. Lena Schraut, innenpolitische Sprecherin der AL, fordert deshalb von Polizeiführung, Gewerkschaft und Innensenatoren oder -ministern, daß diese die Möglichkeit schaffen, »die Täter in der Menge gleichaussehender Beamter erkennen zu können«. Ansonsten nähmen die Verantwortlichen doch in Kauf, daß die Mehrzahl der polizeilichen Übergriffe ungesühnt bleiben. diak