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Der Griff zur Kaffeekanne

■ Wieder im Kino: „Heißes Eisen“ von Fritz Lang

Ein amerikanischer Film von Fritz Lang: Das will nicht viel sagen. Schließlich hat sich Fritz Lang nicht die Geschichte zu diesem Film ausgedacht. Drehbuch: Sidney Boehm, nach dem Roman von William P. McGivern; so steht's im Vorspann. Und 1953 konnte Lang froh sein, überhaupt einen Job zu bekommen in Hollywood. Ein Jahr vorher war Lang gerade mit seiner eigenen Produktionsfirma pleite gegangen.

Heißes Eisen ist ein amerikanischer Film über amerikanische Arbeiter: Heißes Eisen ist ein Polizeifilm. Polizeifilme sind die einzigen Filme aus Hollywood, die von der täglichen Arbeit und dem täglichen Ärger und von dem Zusammenhang zwischen dem Alltag bei der Arbeit und dem Alltag in der Familie erzählen. So wie die Romane von Chandler über die Arbeit eines Privatdetektivs erzählen. Bloß, daß Philip Marlowe nicht verheiratet ist.

Außerdem wird Chandler hier erwähnt, weil Kenport eine genauso korrupte Stadt ist wie Bay City. Und weil Glenn Ford vielleicht einen besseren Philip Marlowe abgegeben hätte als Humphrey Bogart. (Aber das nur am Rande). Also: Die Polizei und die Gangster stecken unter einer Decke. Das ist bekannt und eine feststehende Regel; trotzdem brauchen Polizeifilme üblicherweise 85 Minuten, um diese Erkenntnis am Ende als große Überraschung zu präsentieren. In Heißes Eisen ist das nach der dritten Einstellung offenkundig. Folglich bleibt genug Zeit für Glenn Ford als Police Sergeant Dave Bannion.

Die Ehe zwischen Bannion und seiner Frau ist eine glückliche, weil sie ihm die Zigarette aus der Hand nimmt und weiterraucht; und weil er darüber scherzt, daß sie gern das Bier aus seinem Glas trinkt. Immerhin ist Bannions Tochter schon fünf Jahre alt, und in amerikanischen Filmen aus den fünfziger Jahren gibt es keine vorehelichen Kinder.

Glenn Ford spielt in einem Polizeifilm, weil Bannion sich zu Hause von einem dienstlichen Anruf stören läßt; Glenn Ford spielt unter der Regie von Fritz Lang, weil seine Silhouette danach einen dunklen Schatten an die holzgetäfelte Wand wirft. Das kommende Unheil ist sichtbar, allerdings nicht für Bannion.

Bannions Mietshäuschen ist konventionell und altbacken eingerichtet. Sein Gegenspieler Lee Marvin wohnt auch in einem Penthouse mit Blick über die Skyline der Stadt; bei ihm herrschen die klaren und funktionalen Linien der Moderne vor. In diesem Film ist das keine Frage des Stils, sondern des Geldes; Gangster können sich einen Innenarchitekten leisten. Im übrigen ist der von Lee Marvin dargestellte Vince Stone ein Psychopath, der mit Vorliebe hübsche Mädchen mit Zigarettenstummeln und heißem Kaffee verbrennt.

Gegen diesen Film hilft nur Zynismus. Dafür sorgt die Regie: Oft umfährt die Kamera die Figuren in einer angedeuteten Kreisbewegung; nicht etwa, um ihnen den Raum zu öffnen, sondern um ihn einzuengen. Wenn sich die Figuren bewegen, zieht sich die Kamera nur so weit zurück, daß die Gesten den Rahmen der Leinwand nicht sprengen. Alles ist vorbestimmt, nichts dem Spiel des Zufalls überlassen. Wenn Bannions Frau von einer Bombe unter seinem Auto zerrissen wird, dann ist vorher Bannion in diesem Auto zu sehen, wenn Lee Marvin zur Kaffekanne greift, wird er durch die Kaffeekanne umkommen. Zwei Frauen im Nerzmantel stehen einander gegenüber, und die eine erschießt die andere.

Von wegen Zynismus: „Sie können gar nicht soviel Blumen pflanzen, daß es hier nicht stinkt“, sagt Bannion im Wohnzimmer des Gangsterbosses; der Satz stünde auch Philip Marlowe gut zu Gesicht. Und schließlich endet der Film damit, daß Bannion wieder an seinem aufgeräumten Schreibtisch im Polizeipräsidium sitzt: die schlimmste aller Lösungen. Michael Esser

Fritz Lang: Heißes Eisen (The Big Heat), mit Glenn Ford, Gloria Grahame, Lee Marvin, USA 1953, 88 Minuten, schwarzweiß

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