IMTHEATERDERFREUNDSCHAFT

DERTHEATER—TIP  ■  »EINE NACHT IM FEBRUAR«

Ein Junge liegt in seinem Bett und möchte einschlafen. Doch so einfach ist das nicht: bedrückende Gedanken über den erlebten Tag schleichen sich in seinen Sinn. Es war ein schrecklicher Tag! Und nun liegt er da, zwischen der Gewißheit, daß etwas geschehen ist, was nicht geschehen durfte — die Thermosflasche vom Vater ging beim Skiausflug kaputt —, und der Ungewißheit, was morgen geschehen wird, denn mit Ermahnungen, auf die Thermosflasche acht zu geben, hatte der Vater nicht gespart. In seiner Furcht brütet der Junge seltsame Gedanken aus...

Der schwedische Theaterautor Staffan Göthe hat über diesen Moment des verzweifelten Grübelns ein Kinderstück geschrieben, das »Eine Nacht im Februar« heißt und im Theater der Freundschaft in Szene gesetzt wurde.

Von dem Jungen (es könnte genausogut ein Mädchen sein) ist auf der Bühne nichts zu sehen. Dafür treten drei weiße Gestalten auf, die seine Gedanken verkörpern. Sie wandern hin und her, drehen sich im Kreis, kommen vom Hundertsten ins Tausendste und enden doch immer wieder bei dem einen Punkt: die kaputte Thermosflasche! Wer ist schuld und was wird werden? Die weißen Gestalten spielen Gedanken an Rache, an Flucht oder an Wunder, sie spielen den gemeinen Eddi, der den Jungen ständig ärgert, den Skiausflug und auch den Vater. Sie spielen miteinander und machen sich selbst so ihre eigenen Gedanken. Nachts, kurz vor dem Einschlafen, sind sie nicht zu bändigen, haben freien Lauf.

Dem Theaterensemble ist es mit dem Stück gelungen, aus der Perspektive eines Kindes zu erzählen, ohne zu verniedlichen, die quälenden Schuldgefühle und ängstlichen Empfindungen eindrucksvoll zu schildern, ohne spektakulär zu sein. Ihr Auftreten wirkt nie wie das eines verständnisvollen Therapeuten, der Seelenbalsam anbietet. Feinsinnige Ironie sorgt dafür, daß ein ums andere Mal der nötige Abstand zu den ernsthaften und traurigen Gedanken entsteht, und die Personen im Leben des Jungen ihr Fett abbekommen.

Die sprühende Spiellaune und der Witz der Truppe machen das Stück zu einem Genuß. An Abwechslung, an Gedankensprüngen und Gefühlswechseln jeder Art fehlt es dabei nicht. Ängste und schreckliche Vorstellungen wirken beklemmend, böse und heimliche Wünsche des Jungen zeigen sie mit unverhohlener Direktheit.

»Eine Nacht im Februar« ist kein Kinderstück, das sich allzu eilfertig mit den Nöten der Kinder solidarisiert. Es spiegelt mit spielerischer Leichtigkeit ein Stück kindlichen (Unter-)Bewußtseins wider, und nimmt dadurch selbstzweiflerischen Gedanken anderer Kinder vielleicht die Bedrohlichkeit. Christian Bahr

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