Kein Knasturlaub auf Ehrenwort

■ Gefangene aus Rummelsburg berichten über ihre Situation im Tegler Knast/ Haftbedingungen verschlechterten sich: Weniger Lohn, kein Urlaub, mieses Essen/ Westknackis sind lethargischer

Tegel. Im Ostberliner Knast Rummelburg war alles besser. Darüber sind sich die 37 Rummelsburger Gefangenen, die Mitte Oktober in den größten Westberliner Männerknast in Tegel verlegt wurden, absolut einig. »Es gibt hier keinen, der nicht sofort nach Rummelsburg zurückgehen würde«, versicherten der 35jährige Jürgen B. und der 33jährige Axel J. gestern im Tegler Knast, wo die taz mit den beiden im Beisein von zwei alteingesessenen Tegler Gefangenen sprach.

Jürgen B. wurde 1984 in Ost-Berlin zu 15 Jahren Haft verurteilt, Axel J. sitzt seit 1988 seine acht Jahre und neun Monate Knast ab. Was die beiden an der Verlegung nach Tegel am schlimmsten getroffen hat: Sie bekommen bis auf weiteres keinen Urlaub oder Ausgang. »In Rummelsburg gab es nach der Wende Urlaub auf Ehrenwort. Da konnte ich mit meiner Mutter einen ganzen Tag lang quer durch Berlin düsen«, berichtete Jürgen B. Als »ungerecht« bezeichneten die beiden Ex-Rummelsburger auch, daß sie im Gegensatz zu den meisten ihrer ehemaligen Mitgefangenen nicht entlassen oder in den offenen Vollzug gekommen seien. Ihnen bleibt jetzt nichts anderes übrig, als auf die Urteilsüberprüfung zu warten. Getan hat sich in dieser Hinsicht allerdings noch nichts: Mehrmalige schriftliche Anfragen von Jürgen B. im Kriminalgericht in der Turmstraße blieben bislang ohne Antwort. Viel erhofft sich der Gefangene von der Überprüfung ohnehin nicht, weil nur die Akten durchgesehen werden, statt eine neue Beweisaufnahme durchzuführen.

Im Gegensatz zu Rummelsburg — wo es Tarif- oder Leistungslohn sowie Rentenversicherung und für die eigene Nachkommenschaft Kindergeld gab — werden in Westberliner Knästen nur fünf Prozent eines durchschnittlichen Arbeitnehmereinkommens als Lohn angerechnet. Die Differenz macht sich für die Ostler jetzt nicht nur durch mangelnde Eingänge auf dem Rücklagenkonto bemerkbar, sondern auch bei der Auszahlung des Taschengelds: Die einstmals 200 Mark, die es seit der Währungsunion gab, sind in Tegel fast um die Hälfe geschrumpft. Eingekauft werden kann hier auch nicht mehr so wie in Rummelsburg jeden Tag, sondern nur noch einmal im Monat. Kritisiert wurde von beiden Ex-Rummelsburgern außerdem, daß die Gefangenen in Tegel viermal am Tag gezählt werden und sich dafür jedesmal in der Zelle einschließen lassen müssen. »In Rummelsburg mußten wir uns zweimal am Tag kurz aufstellen, das ging viel flotter.«

Weitere Kritikpunkte sind, daß das Essen in Tegel »noch schlechter« als drüben sei, man nicht mehr im Gemeinschaftsraum »bis zum Sendeschluß« fernsehen dürfe, eigene Fernseher auf der Zelle nur in Ausnahmefällen bewilligt würden.

Wenigstens in einem Punkt waren gestern keine Klagen zu hören: »Wir wurden hier sehr solidarisch aufgenommen und von niemandem diskrimiert«, berichtete Axel J., der mit Jürgen B. im Tegeler Haus VI untergekommen ist. Das Ausmaß des Drogenkonsums im Tegler Knast hat die beiden allerdings vollkommen überrascht. Die beiden alteingesessenen Tegler Gefangenen Renee H. und Peter B. schätzten, daß allein im Tegler Haus III zwei Drittel der Insassen in unregelmäßigen Abständen Heroin konsumierten. Der Stoff sei zur Zeit so billig wie nie zuvor. Die vier Gefangenen stellten fest, daß die Mehrzahl der Tegler Gefangenen »vielleicht auch wegen der Drogen« viel lethargischer als die Ostler seien. »Hier wird über alles geschimpft, aber keiner unternimmt was dagegen«, sagte Jürgen B. und erinnerte an die Dachbesetzung in Rummelsburg. Vollkommen lethargisch sind die Tegler aber offensichtlich noch nicht: Eine im Herbst geplante Dachbesetzung für eine Amnestie scheiterte in letzter Minute durch ein dummes Mißgeschick.

Der Tegler Insasse Peter B. bedauerte, daß es in den Häusern II und III keine Insassenvertretungen mehr gebe: Sie seien einfach eingeschlafen. Rene H. äußerte die Befürchtung, daß es unter der CDU in Berlin ein Rollback im Strafvollzug geben werde. Möglicherweise werde der Bundesrat mit CDU-Mehrheit versuchen, neue Restriktionen im Strafvollzugsgesetz durchzudrücken. Er hoffte, daß Jutta Limbach Justizsenatorin bleibt, weil sich die Situation dann zumindest nicht ganz verschlechtern werde. Plutonia Plarre