Studis: »Entwickeln statt abwickeln!«

■ Mehrere tausend StudentInnen demonstrierten gegen »Abwicklung« der Humboldt-Uni vor dem Rathaus Schöneberg/ Dennoch Einsicht, daß die Erneuerung nicht allein geschafft werden kann

Berlin. Der Unmut über die Pläne von Wissenschaftssenatorin Barbara Riedmüller (SPD) zur »Abwicklung« der Humboldt-Universität trieb gestern morgen StudentInnen sämtlicher Ostberliner Unis vor das Rathaus Schöneberg. Trotz früher Morgenstunde und zugiger Kälte wollten sich rund 5.000 Studierende mit ihrem Protest wegen der Pläne zur Humboldt-Universität und anderen Fakultäten bemerkbar machen, während die SPD-Politikerin im geheizten Rathaus ihre Abwicklungsvorlage vorlegte. Auf Transparenten forderten die DemonstrantInnen: »Erst entwickeln, dann abwickeln«, und: »Bewältigung statt Überwältigung«. Aber auch ironische Parolen, auf die Studiensitten im Osten anspielend, waren zu sehen: »HU muß bleiben! Keine Frühaufsteher an die FU!«

Der Studentenrat der Humboldt- Universität kritisiert die Vorlage Riedmüllers als »undifferenzierte und von außen aufgezwungene Zerstörung der Ostberliner Wissenschaftslandschaft«. Zwar meinen auch sie, daß die Ostberliner Universität sich nicht ohne Hilfe von innen heraus erneuern könne und von daher die Senatsinitiative nicht grundsätzlich zu verwerfen sei. Als wichtigsten Punkt bezeichnen sie aber, daß die demokratisch gewählten Gremien der Universitäten über die Senatspläne nicht informiert worden seien und keinerlei Einfluß darauf hätten. Das ist, wissen auch die Ostberliner StudentInnen, in der westdeutschen Hochschullandschaft anders. Der Studentenrat hatte einen Forderungskatalog aufgestellt, nach dem die Uni-Verfassung gemäß dem Berliner Mantelgesetz beachtet werden soll. Ebenso verlangten sie, daß der Konzilbeschluß anerkannt wird, nach dem alle DozentInnen und wissenschaftlichen MitarbeiterInnen durch Kommissionen überprüft werden sollen, die mit auswärtigen WissenschaftlerInnen besetzt sind.

Lautstarken Aufforderungen, sich den Demonstrierenden zum Gespräch zu stellen, kam Riedmüller nicht nach. Die Frierenden konnten sich daher nur an der Lautsprecherdurchsage erfreuen, wonach die Senatorin wutentbrannt die Senatssitzung verlassen hätte — vielleicht ein Anzeichen dafür, daß Riedmüller mit ihrer Vorlage nicht durchgekommen ist. Dafür tauchte dann plötzlich PDS-Boß Gregor Gysi auf und bekundete seine Solidarität. Das brachte die Menge, deren Ostberliner Teil den Demonstrationsherbst des letzten Jahres nicht auf der Straße, sondern in geheizten Seminarräumen verbracht hatte, zum Jubeln. lada