: Druck von der "Dioxinbasis"
■ betr.: "Dioxin im Musterländle", taz vom 8.12.90
betr.: „Dioxin im Musterländle“, taz vom 8.12.90
Euer Dioxinbericht übers Ländle wäre um Mannheim zu ergänzen. Über 4.000 ng/Kg/TE Dioxin im Boden auf dem Gelände der Firma „Goldschmid“, 800 ng/Kg/TE in Brandrückständen auf einer Schredderdeponie in Mannheim-Rheinau und 25 ng/Kg/TE in den Böden einer Kleingartenanlage in der Nähe einer inzwischen geschlossenen Pyrolyseversuchsanlage auf der Friesenheimer Insel.
Und Dioxinspuren aus dem Ländle kann man auch in die ehemalige DDR und nach Österreich verfolgen. Aus Mannheim wurde 1986 dioxinbelastetes Material aus der Pyrolyseversuchsanlage der Firma NE- Metall in der Kupferhütte des Montanwerks in Brixlegg in Österreich verfeuert. Ein ebenfalls international anerkannter Dioxinfall (mysteriöses Blattsterben 1986). Und aus Maulch/ Crailsheim würden Rückstände aus der dortigen Kabelverschwelungsanlage der Firma „Hölzl“ nach Auskunft des ehemaligen Betreibers des Betriebs eine zeitlang in die DDR geliefert. Dort gab es nur die Hütten des VEB Mansfeld Kombinats in Ilsenburg, Helbra und Hettstedt, die für eine solche Verhüttung in Frage kamen. An zwei der drei Orte (Hettstedt in Sachsen-Anhalt steht noch aus) wurde man erwartungsgemäß auch fündig. In Ilsenburg immerhin ein Höchstwert von 155.000 ng/ Kg/TE, bei denen es einem gruseln darf. Das hierbei die „Intrac“ des Herrn Schalck-Golodkowski munter mitmischte, hat jetzt auch der ehemalige Direktor des Kombinats bestätigt.
Aber es dürfte noch schlimmer kommen. Denn es gibt handfeste Hinweise, daß Rückstände aus Kabelverschwelungsanlagen aus Baden-Württemberg, nicht nur mit Duldung der zuständigen Behörden als „Wirtschaftsgut“ in die DDR geliefert wurden, sondern auch dem Dünger besonders für den Obst und Weinbau beigemischt wurden. Auch als „Wirtschaftsgut“. Schwere Vorwürfe auch in diesem Zusammenhang muß man an die Landesregierung in Stuttgart und die Regierungspräsidien in Stuttgart (zuständig für Maulch/Crailsheim) und Karlsruhe (zuständig für Rastatt und Mannheim) erheben. Eine Anfrage bei den Firmen, was sie mit den Asche- und Filterrückständen machen, hätte genügt. Und trotz der Vorgänge in Crailsheim und Rastatt hat das Regierungspräsidium Karlsruhe noch im Frühjahr 1986 eine Pyrolyseversuchsanlage zur Rückgewinnung von Kupfer aus Leiterplattenabfällen in Mannheim genehmigt, die für chlor- und bromhaltige Stoffe, selbst für den Laien leicht erkennbar und absolut ungeeignet war.
Was jetzt angesichts der sich mehrenden Dioxinfälle kommen wird, ist auch klar. Man wird die Akzeptanzwerte erhöhen. Nur ändert das nichts an der Tatsache, daß jedes Dioxin grundsätzlich in der Lage ist, direkt oder indirekt ist hierbei egal, Krebs zu erzeugen und andere grausige Krankheiten mehr. Bei der hohen Haltbarkeit dieser Stoffe eine Perspektive bis weit in das nächste Jahrtausend. Und das Argument, die Wissenschaft habe ja dies und jenes noch gar nicht sicher bewiesen, läßt sich auch leicht umkehren. Wahrscheinlich liefert uns die Wissenschaft in den nächsten Jahren Schlimmeres, als das, was jetzt noch als Vermutung gilt.
Was zu tun ist, ist auch klar, damit die Dioxinbelastung wenigstens nicht weiter zunimmt: Ausstieg aus der Chlor- und Bromchemie. Weiter müssen Forschungsmittel in beträchtlicher Höhe (die jetzigen Mittel entsprechen der Finanzausstattung eines Kleinbetriebs) für die Untersuchung von Dekontaminierungsmöglichkeiten eingesetzt werden. Auf dioxinverseuchten Böden zu leben, sollten wir uns auf die Dauer nicht zumuten. Und eine Deponierung ist letztlich schon wegen der anfallenden Mengen keine praktikable Lösung. Und systematisiert muß die medizinische Forschung werden. Bei allem Respekt vor den medizinischen Einzelkämpfern in Sachen Dioxin, das reicht nicht.
All das aber wird sich ohne beträchtlichen Druck von der „Dioxinbasis“ nicht durchsetzen lassen. Allerdings müßte dies zentral koordiniert werden. Die kleine Zahl derjenigen, die wie zum Beispiel in Maulach, Rastatt und Mannheim kämpft, engagiert sich jetzt schon auf Kosten von Beruf, Freizeit, Familienleben in einem Ausmaß, daß mehr einfach nicht geht. Dazu kommen die Sorgen. Vielleicht kann man sich als nicht Betroffener nicht hineindenken, wie es zum Beispiel Eltern in Maulach und Rastatt (im Beinle) geht, wenn sie abends ihren Kindern das Gutnachtlied singen.
Als AG ÖKOPOL kennen wir uns mit den Dioxinfällen in Baden-Württemberg aber auch in Hessen recht gut aus. Eine Anfangskoordination könnten wir deshalb übernehmen. Mehr können wir aus personellen und finanziellen Gründen nicht leisten. Karl-Heinz Schwarz-Pich für die AG ÖKOPOL Mannheim, Kleine Riedstraße 6c,
6800 Mannheim 1
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