RADIODAYS
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MONTAG

Michael Ende ist für Groß und Klein ja wohl kein Unbekannter mehr. Denn jahrelang waren seine Bücher Die unendliche Geschichte und Momo Hits der weihnachtlichen Gabentische. Doch auch wer all das schon kennt, braucht an diesem „Heiligen Abend“ nicht auf den beliebten Märchenonkel zu verzichten: Ab 15.00 Uhr sollten die Kiddies ihre Eltern in Ruhe werkeln lassen und vom Tännchen zum Radio überlaufen. Der Teddie und die Tiere heißt Endes musikalische Fabel, die beim BR2 gesendet wird. Ganz von ferne grüßt Prokofjeffs Peter und der Wolf bei diesem Unterfangen. Ein einsamer Teddybär mit dem traurigen Namen Washable zieht als Vertreter unserer Fast-Food-Kultur durch die Welt der Tiere.

Selbst zynische Exzentriker können oft vom Allerweltsthema Weihnachten nicht lassen! So schrieb beispielsweise Truman Capote, amerikanischer Bürgerschreck und Hofclown der High-Society, Eine Weihnachtserinnerung. Die Hörspielfassung dieser Geschichte kommt um 16.00 Uhr beim WDR3. Buddy, die Hauptfigur, erinnert sich in einer schwachen Minute an eine frühe Liebesgeschichte. Damals, siebenjährig, verehrte der Kleine nämlich eine toll-verrückte Kusine, die seine Mutter hätte sein können. Doch der Altersunterschied spielte keine Rolle, denn die „Freundin“ büchste so gerne aus der starren Welt der Großen aus, daß es selbst Buddy manchmal den Atem verschlug. Das machte diebisch Spaß — vor allem unterm Weihnachtsbaum...

DIENSTAG

Radio Bremen hat ein Herz für Eltern! Wenn sie den Radiowecker im Kinderzimmer richtig programmieren, haben diese von 8.05 bis 9.00 Uhr noch Schonzeit. Dann geht es nämlich in Isaac Bashevis Singers skurriler Erzählung um die Geiß. Oder besser gesagt: um den Sohn des Pelzhändlers Reuben, der das arme Vieh zum Dorfmetzger bringen soll. Natürlich geht das alles nicht ohne Komplikationen ab, und der absurde Witz des jiddischen Schriftstellers lauert hinter jeder Wegkreuzung. Am Ende kommen Aaron und Zlateh die Geiß doch wieder ungeschoren zurück. Doch nicht, ohne um einige Erfahrungen klüger zu sein...

Am frühen Nachmittag ist dann die Erzählstunde für Große gekommen: Der Name der Rose steht beim SWF2 auf dem Programm. Ab 14.30 Uhr haben nicht nur die Fans des dunklen Mittelalters Gelegenheit, sich mit wohligem Gruseln in die Sofakissen zu drücken. Nein, in Umberto Ecos sprachgewaltigem Historien-Thriller wird mit modernsten Krimi-Tricks gearbeitet.

Vor etwa zehn Jahren wagte er es, dieses Potpourrie aus Geschichte, Politik und „trivialer“ Spannung zu einem Roman zu verkochen, der die literarische Quickies gewöhnten Leser auch heute noch in Atem hält. Falls es tatsächlich noch Menschen gibt, die weder das Buch noch die Verfilmung kennen, sollten sie die Gunst der Stunde nutzen! Für Eingeweihte ist das Hörspiel die Gelegenheit, sich mit gängigen Genre-Vergleichen die Zeit zu vertreiben. Am 30. und 31. Dezember ebenfalls um 14.30 Uhr werden die übrigen Folgen gesendet.

1954 entstand in den Studios des SWF mit der kenntnisreichen Geburtshilfe von Max Ophüls ein Medien-Retortenbaby: der Hörfilm. Nicht das Theater stand hier Pate, wie sonst bei Hörspiel-Produktionen üblich, sondern das Melodram und die Filmmontage. Ziel dieser Operation war es, einen „Film im Kopf“ des Hörers zu erzeugen. Die visuelle Assoziation sollte dabei von unauffälligen Einzeldetails und dem Sog der Geschichte hervorgerufen werden. Eine Kostprobe dieser phantastischen Technik stellt der SWF1 um 20.05 Uhr bereit. Als inhaltliches Modell bot sich Eichendorffs Liebesnovelle Das Marmorbild an. Ganz im Sinne der Hochromantik verfolgt der junge toskanische Reiter Florio das Bild der Venus. Doch in immer wechselnder Gestalt entzieht sie sich dem Verfolger.

Als Claude Monet 1883 endlich ernst machte und der Großstadt die kalte Schulter zeigte, schrieb er begeisterte Briefe an seine Freunde in Paris. Doch war es bei weitem nicht nur sein Seerosenteich, der ihn in solche Verzückungen versetzte, vielmehr die Versuchungen der ländlichen Küche... Zu seinen Leibspeisen gehörten Gerichte mit seltsamen Namen: „Nonnenfürze“ und „Türkensterz“... Ob der Genuß dieser Leckereien zu den künstlerischen Höchstleistungen Monets führte, erfahren die Neugierigen um 22.35 Uhr in einer Sendung des Rias1.

MITTWOCH

Und da zur Stunde Märchen ja Hochkonjunktur haben, tischt der SWF1 den Kids eine Variante von „Tausend und einer Nacht auf. Held der Erzählung ist Said, der nach seinem achtzehnten Geburtstag die Pilgerreise nach Mekka antritt. Natürlich ist so eine Wüstenreise immer gefährlich, und sie war es auch, als noch keine blonden GIs hinter jeder Düne lauerten... Aber zum Glück gab es die Pfeife am Goldkettchen, die unseren Jüngling an allen Unbilden vorbeihalf. Der erste Teil von Saids Schicksal wird um 16.30 Uhr gesendet, der zweite kommt am 27. Dezember um 15.30 Uhr.

Und damit es ja nicht zu heimelig wird in den guten Stuben, wirft der SWF2 um 19.30 Uhr einen Blick in die Alltagsrealität. Wie früher, so argumentiert die Sendung, seien unsere Großstädte durch Mauern geschützt. Berlin vor dem 9. November 1989 sei nur ein drastisches Beispiel dieser Lage gewesen. Paris beispielsweise bezeichnet einen gewissen Einzugsbereich als Bannmeile „banlieu“. Jenseits dieses „Schutzwalls“ liegt das Verbotene, das Andere. Beim Blick auf die französische Metropole wird auch die Frage nach der neuen Berliner Bannmeile nicht unterschlagen.

Edith Sitwell war so englisch wie es nur in den gröbsten Klischees möglich scheint: eine skurrile Erscheinung durch und durch! Sie lebte nicht nur für die Kunst, sondern war selbst ein Kunstwerk — das ist zur Genüge durch Cecil Beatons geniale Fotos dokumentiert. Nachdem sie die Bohème der zwanziger und dreißiger Jahre durchlebt hatte, wandte sie sich jedoch auch den Katastrophen der Weltpolitik zu: mit ihren einzigartigen Gedichten an Hiroshima wurde sie über die Szenegrenzen hinaus bekannt. Wer mehr erfahren möchte, bekommt um 21.00 Uhr beim WDR3 ein Hörbild der Exzentrikerin vorgesetzt. GeHa