: »Momper soll nicht in die Regierung Diepgen eintreten«
■ Gespräch mit dem SPD-Abgeordneten und Vertreter des linken Flügels, Eckhardt Barthel, über die politischen Ambitionen des Noch-Bürgermeisters und SPD-Landesvorsitzenden Walter Momper/ Personelle Konsequenzen für die Senatsbildung: »Die besten Pferde aus dem sozialdemokratischen Stall müssen jetzt ins Rennen geschickt werden« INTERVIEW
Trotz des unsanften Thronsturzes nach den Wahlen am 2.Dezember will Walter Momper weiter mitregieren — als Stellvertreter seines einstigen Gegenspielers, des designierten Regierenden Bürgermeisters Eberhard Diepgen. In der SPD wird — wieder einmal — Protest gegen die Höhenflüge Mompers laut
taz: Herr Barthel, was haben Sie denn gegen Herrn Momper als stellvertretenden Bürgermeister im neuen Senat?
Barthel: Nicht nur ich, sondern auch andere haben sich schon lange für die Ämtertrennung ausgesprochen — also die personelle Trennung von Parteivorsitz und Senatsmitgliedschaft. Walter Momper hat das auf dem letzten Parteitag selbst angekündigt, worüber ich mich sehr gefreut habe. Sauer bin ich darüber, daß das plötzlich nicht mehr gelten soll. Diese starke Wahlniederlage, die wir erlitten haben, müssen wir erst einmal aufarbeiten — auch personell. Dazu müssen die besten Pferde aus dem sozialdemokratischen Stall ins Rennen — also in die einzelnen Funktionen geschickt werden. Aber darin muß sich auch die Verarbeitung des Wahlausganges ausdrükken.
Walter Momper soll nach dem Wahldesaster also in der Box bleiben?
Er sollte auf jeden Fall den Parteivorsitz führen, wozu er auch gewählt worden ist. Ich könnte mir auch durchaus vorstellen, daß er den Fraktionsvorsitz übernimmt. Aber aufgrund der Wahlniederlage möchte ich nicht, daß er in die Regierung Diepgen eintritt. Das wäre eine klare und auch vermittelbare Entscheidung.
Werfen Sie Walter Momper Wortbruch vor?
Nein, mit diesen Begriffen schmeiße ich nicht um mich.
Auf dem letzten Parteitag hat er aber, wie Sie selbst sagen, einer Ämtertrennung noch das Wort geredet...
...und ist dem gefolgt, was andere schon lange diskutiert hatten. Und das waren nicht Leute, die etwas gegen Momper haben, sondern die für eine Ämtertrennung sind. Für die Partei müssen neue Perspektiven entwickelt werden, die Ostberliner Mitglieder müssen integriert werden. Diese Arbeit muß jemand leisten, der den Parteivorsitz nicht nur nebenbei macht.
Sie haben Widerstand innerhalb der Partei angekündigt, falls Momper wirklich Parteivorsitz und Bürgermeister- bzw. Senatorenamt übernehmen will. Probt die Basis den Aufstand?
Wir sind am Anfang dieser Diskussion, und ich vertrete da keine exotische Position. Wir wollen keineswegs gegen Momper die Messer schleifen, sondern eine ganze Menge Leute glauben einfach, daß er nicht in den Senat gehen sollte. Das ist, unabhängig von linkem und rechtem Parteiflügel, eine verbreitete Meinung. Jetzt müssen wir mal mit ihm selbst reden. Das wird auch auf dem Parteitag ein Thema sein.
Die Suche nach neuen Perspektiven der Berliner SPD nach dem Wahldesaster ist in aller Munde. Wie soll die Partei denn neues Profil und neue Perspektiven gewinnen, wenn sie gleichzeitig in eine große Koalition mit der CDU eingebunden ist?
Das idealste zum Neuaufbau wäre natürlich die Oppositionsrolle. Aber das Wahlergebnis erlaubt das meines Erachtens nicht. Es sei denn, die inhaltlichen Differenzen erweisen sich am Ende als so groß, daß eine Koalition nicht zustande kommt. Aber diese Chance der Erneuerung der Opposition hat die SPD eben nicht. Insofern muß sie sich notfalls als kleinerer Partner in einer großen Koalition erneuern.
Vor einigen Tagen hat sich eine »Demokratisch-Sozialistische Plattform« innerhalb der SPD zu Wort gemeldet und mit einem öffentlichen Aufruf gegen eine große Koalition gewandt. Eine große Koalition schalte faktisch die parlamentarische Opposition aus und führe zu einem »absolutistischen Regierungsstil«, befürchten die Genossen. Zu Recht oder Unrecht?
Ich weiß von dieser Plattform noch zuwenig. Die ist offenbar aus der Eigeninitiative einiger Leute hervorgegangen. Ich kenne die Positionen, die gegen eine große Koalition sprechen. Die meisten Argumente teile ich, wenn man das Ganze abstrakt betrachtet. Aber die Umstände sind nun mal nicht so. Interview: Andrea Böhm
(Siehe auch Seite 22)
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