: Anabolika is out
■ „Gen-Zeit“ — nicht nur für Sportfunktionäre SPIELWIESE
Statt sich mit Dope auf höhere Bewußtseinsstufen zu dröhnen, versuchen die drögen Horroratioren des Deutschen Sportbundes (DSB) mit Doping, sich selbst und ihre Schützlinge auf Aschenbahn, im Boxring oder im Planschbecken in die Weltspitze zu puschen. Die große Funktionärsvereinigungsfeierei zeigte noch einmal verschärft, daß zusammenwachsen muß, was zusammengehört: die Menschenversucher mit Anabolika hüben wie drüben. Das alles getarnt durch hehre Worte von Selbstreinigungskräften, denen Ben Johnson geopfert wurde, um die unbefleckte Empfängnis weißer Goldmedaillen zu sichern.
Ich sage Euch, alles nur ein publizistisches Strohfeuer um den Schnee von gestern. Unsere geliebten Funktionäre gehen derzeit auf einen ganz anderen Trip. „Gen- Zeit“ ist angesagt, um Sportlerinnen und Sportler fitter als fit zu bekommen. Gerüchte sind laut geworden, daß sich ein Spiel gleichen Namens in den einst steroiden Kreisen großer Aufmerksamkeit und Beliebtheit erfreut.
Gewiß, politische Spiele sind immer etwas schwierig. Entweder lassen sie den nötigen Spielspaß vermissen, oder sie sind dermaßen einseitig aufgebaut, daß sie nur für eine politische „in-group“ interessant und spielbar sind. Dem versucht Franz Schölles mit seinem „Gen-Zeit“ aus dem Weg zu gehen. Er läßt unsere Sportfunktionäre zu den verschiedenen genetischen Themenbereichen — Gentherapie, Genkartierung, Unfruchtbarkeit von Mann und Frau — Bundestagsanhörungen simulieren, bei denen Pro und Kontra aufeinanderprallen. Am Ende sollen sie über ein Thema abstimmen, können aber bei einer Niederlage durch das Ziehen spezieller Karten neue Argumente in die Diskussion einführen und das Abstimmungsergebnis umkippen.
Das ist überhaupt kein Spiel, wäre ein Argument, sondern spielerische Aneignung von Wissen. Dagegen ist nichts einzuwenden. Problematischer finde ich, daß andere Spieler als unsere Funktionäre auf Politikerniveau reduziert werden. Die SpielerInnen erfahren auf den Spielkärtchen nur den Diskussionsstand von Juristen, Soziologen, alle logen, Theologen, Journalisten, Forschern und Kritikern. Wichtiger wäre es, sich mit den wissenschaftlichen Quellen — Literaturliste fehlt — auseinanderzusetzen, um mitreden und nicht nur mitspielen zu können. Peter Huth
Franz Schölles: Gen-Zeit. Öko- Vertrieb, Batterieweg 42f, 5480 Remagen 1, 29,80 D-Mar,.
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