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Stilles Begräbnis

■ Der Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) löst sich auf

In früheren Jahren galt die Frage, wer eigentlich beim Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe wen betrügt, als Lieblings-Streitgegenstand unter Sowjetologen. Als in den 70ern die Erdölpreise hochgingen, erwies sich die Berechnung im Fünfjahresschnitt für die osteuropäischen Kunden als äußerst vorteilhaft. Andererseits profitierte die Sowjetunion von industriellen Produkten ihres westlichen Vorhofs vor allem dann, wenn in ihnen teuer eingekaufte kapitalistische Technogie enthalten war, die dem sowjetischen Abnehmer keinen Cent kostete. So schwer hier zu bilanzieren ist, so einfach fällt ein abschließendes Urteil: der RGW schadete der SU und ihren Partnern gerade wegen der Eigenschaft, die als sein größter Vorteil angesehen wurde — der Stetigkeit der Handelsbeziehungen. Der immer sichere sowjetische Markt, der unterschiedslos alle industriellen Produkte und Konsumgüter der Osteuropäer schluckte, tötete die technische Innovation und war mitverantwortlich für den zunehmenden Qualitätsabstand osteuropäischer Produkte. Die SU aber wurde auf dem Niveau eines Entwicklungslandes (Rohstoffe plus Energie gegen Maschinen) festgehalten. Der RGW bot bis zum Ende seiner Tage das Bild einer archaischen Tauschwirtschaft. Jährlich wurden die Güterkontingente ausgehandelt, die Preise in Verrechnungsrubeln festgelegt, denen so ziemlich alle Eigenschaften fehlten, die man gemeinhin einem Zahlungsmittel beilegt. International verflochten wurde nur mehr und mehr die Bürokratie in den Labyrinthen des Moskauer Bürohochhauses.

Zu Beginn seiner Amtszeit, in der Zeit der Blütenträume, propagierte Gorbatschow multinationale, integrierte Unternehmungen, die, befreit von der planwirtschaftlichen Fessel, auf dem Weltmarkt reüssieren sollten. Weil aber Unterkapitalisierung, d.h. auch Mangel an avancierter Technik, immer schon das Hauptkennzeichen der realsozialistischen Betriebe gewesen war, wurde auch dieses Projekt zu einer Totgeburt. Sicher hätte der RGW sich noch eine Weile hingeschleppt, wäre die Sowjetunion nicht von sich aus dazu übergegangen, für ihre Exporte an die ehemaligen Schutzbefohlenen harte Devisen zu fordern. Die Auflösung des Rates war die logische Konsequenz.

Der Schlußakt im Februar hat eine hübsche Pointe: Zum Begräbnis und zur Taufe eines neuen Gremiums, das den Übergang zur Marktwirtschaft international erleichtern soll, wurde auch die Bundesrepublik eingeladen- als Rechtsnachfolger der DDR. Christian Semler

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