Vier Jahre noch in Saus und Braus

■ Bonner Koalition beschließt, daß die Berlinförderung bis 1994 abgebaut wird/ Der Dschungel von Vergünstigungen, Investitionszulagen und Abschreibungsmöglichkeiten wird jetzt offensichtlich

Berlin.Es hat fast schon Tradition: Wieder einmal platzte am Montag abend in ein Spitzengespräch der Berliner Koalitionsverhandlungen eine Nachricht aus Bonn: Finanzminister Waigel, mußten Walter Momper und Eberhard Diepgen einsehen, hatte sich mit seinen Vorstellungen beim Abbau der Berlinförderung durchgesetzt. Bis 1994, so hieß es aus Bonn, soll die Förderung gänzlich abgebaut werden.

Dort will man einen Dschungel lichten, ein Gewirr aus Investitionszulagen, Vergünstigungen bei der Ermittlung des Betriebsgewinns, verbesserten Abschreibungen, weniger Umsatzsteuer, Ermäßigungen bei der Einkommenssteuer — den Dschungel der Berlinförderung. Angesichts der Sägen, die in Bonn schon dröhnen, befällt die Berliner das große Zittern. Denn bisher gab es Hilfen für jeden Lebenszweck. Ein Firmenwagen etwa, den ein Berliner Unternehmer kauft, kann im Jahr der Anschaffung zu 75 Prozent von der Steuer abgesetzt werden. Der gleiche Firmenwagen gilt in Hannover nur zu 30 Prozent bei der Steuer. Kauft sich ein Wirtschaftsberater in Berlin einen Computer, dann steuert ihm der Staat 15 Prozent des Kaufpreises bei. Im übrigen Deutschland muß der Unternehmer seinen Computer in voller Höhe selbst bezahlen. Und auch das Einkommen des Geschäftsmannes wird in Berlin bevorzugt: Er zahlt um 30 Prozent weniger Einkommenssteuer als ein Kollege in München.

Selbst beim Wohnungsbau gibt es noch Sonderkonditionen: Die Berliner können nach der Paragraph- 7b-Abschreibung fast doppelt soviel von der Einkommenssteuer absetzen wie die übrigen Bürger. Ganz zu schweigen von Vereinen und Stiftungen, bei denen die Körperschaftssteuer um 22,5 Prozent geringer ist als im übrigen Deutschland, die Dividenden werden um zehn Prozent weniger besteuert. Insgesamt gehen dem Staatssäckel in Bonn, den alten Bundesländern und dem Land Berlin, die diese Förderungen auffangen, dadurch 9,245 Milliarden Mark an Steuereinnahmen verloren.

Doch was die Berliner am meisten zittern läßt, ist der Wegfall der Berlinzulage von acht Prozent des Bruttolohnes. Die Berliner haben ihre Ratenzahlungen danach ausgerichtet, die Miete damit kalkuliert, selbst der Handel argumentiert ganz offen damit. Wieso die gleiche Waschmaschine in Berlin um 300 Mark teurer sei als im Süden der Republik, fragte vergangene Woche ein Neuberliner eine Verkäuferin. »Sie kriegen doch Berlinzulage«, meinte die nur. Die Pläne in Bonn sehen eine radikale Abschaffung der Arbeitnehmerzulage vor. Wird die Zulage nun gestrichen, müßte ein Familienvater mit zwei Kindern und 46.000 Mark Jahreseinkommen mit einem Schlag 17 Prozent mehr Lohn erhalten, um den Abschlag aufzufangen. Eine Forderung, die jede Tarifverhandlung sprengen würde, wie die Senatsverwaltung für Finanzen in Berlin befürchtet. ap/taz