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■ Zeitgenössische italienische Architekten im Lichthof der TU

In der zweiten Galerie des Lichthofs der TU Berlin herrschen italienische Verhältnisse. Starke Nerven und Lässigkeit sind angesagt. Denn vom Erdgeschoß dröhnt in Überdezibil ein blökendes Lärmen aus rund zwanzig Lautsprecherboxen herauf, die von Megaprojekten der neuesten Tifosiarchitektur erzählen. Gleichzeitig durchrennen ein paar hundert Studenten die Galerie. Mittendrin saugen zwei dickbäuchige Putzmänner den Teppichboden und streiten sich über alles mögliche. Ab und zu kriegt man noch ein schweres Krachen mit. Dann fliegen wieder Türflügel zu. Die kleine Ausstellung Raumdimensionen, in der italienische Architekten ihre jüngsten Projekte vorstellen, ist hier oben Nebensache. Ein paar Exponaten tut das ganz gut, sind doch die Pläne und Skizzen, Modelle und Schaubilder von einigen Bauten schon verstaubte Ladenhüter der Architekturszene. Sie und ihre sogenannten Stararchitekten hätte man besser daheim gelassen.

Denn gebaute Seelenlandschaften, besser: architektonische Urkundenfälschungen, wie sie Aldo Rossi etwa mit dem Deutschen Historischen Museum noch immer anstrebt, sind ebenso in der Ausstellung dabei wie die antiken Albernheiten der städtischen Plätze, die Carlo Aymonino in Venedig schuf. Doch sieht man bei den bösen Buben der Postmoderne auch den feinen Unterschied zu ihren Architekturen nördlich der Alpen: Die Säulen und Giebel, die bei uns eingemachte Reste der Geschichte ersetzen müssen, stehen in der südländischen Topographie nicht nur in einer Umgebung, auf die sie sich direkt beziehen können. Zugleich haben sie dort den mehr souveränen Betrachter wie Nutzer, der über den Bedeutungsgehalt der Formen informiert ist.

Während sich in Berlin postmodernes Bauen immer dreister zu einer Art von Abenteurertum entwickelt — siehe Josef Paul Kleihues Entwurf zum Umbau des ehemaligen Hamburger Bahnhofs in ein Gefängnis für moderne Kunst —, scheinen sich die, die zuerst den Formenvorrat der Baugeschichte plünderten, mittlerweile zu besinnen. Die zeitgenössischen italienischen Architekten wie Renzo Piano, Vittorio Gregotti oder Costantino Dardi, das zeigen ihre Arbeiten in der Schau, experimentieren wieder mit innovativen Techniken und moderner Baukunst. An die Stelle baulicher Polemik gegen die klassische Moderne ist eine wohltuende Abgrenzung von dem epigonalen Formenrepertoire getreten, zugunsten makelloser Exaktheit und sachlicher Architektur. Dardi etwa entwarf Mitte der achtziger Jahre für Neapel sieben Wohnhöfe, die im Innern den traditionellen Laubengang zum Hof mit feingliedrigen Stahlkonstruktionen wiederbelebten. Renzo Piano setzte im Stadion von Bari (1989) High-Tech-Architektur zu einer skulpturalen Arena um. Selbst Paolo Portoghesi, einst Kultivierer einer vom Barock inspirierten Architektur und Inszenator der neoantiken Architekturschau Strada Novissima (Biennale in Venedig 1980) ist auf einem richtigen Weg. Material und Funktionalität werden wichtiger als obsolete Zierden. Der klassische Formalismus, einst systematische und kollektive Tendenz, hat sich verabschiedet.

Der Eindruck innovativer Energie in der italienischen Architektur wird noch dadurch verstärkt, daß einige Projekte für die Ausstellung in einer Form dargestellt werden, die vom didaktischen Allerlei hiesiger Architekturmodellbastler absieht. Die Bauten und Entwürfe sind in Gemälde und Graphiken eingegangen und zu Bildergeschichten gehängt. Dardis Parkanlage für Ravenna (1983) beispielsweise erscheint als dramatische Annäherung an die Landschaft. Die Turiner Architekten Roberto Gabetti und Aimaro Isola malten die Entwürfe der runden Anlage für die Fiat-Werke in pointillistischer Manier. Sie sind eine Reminiszenz an das Flirrende automobiler Wahrnehmung und sommerlicher Hitze. Die riesige Fabrik verschwimmt in ihren Gemälden zu einer Fata Morgana und löst sich auf in der hügeligen Landschaft. Selbst Aldo Rossis bunte Bildchen vom Friedhof in Modena (im Bau) kommen gar lustig daher. Die Totenstadt erscheint noch als expressives Durcheinander komplexer Vorstellungen. Das wilde Chaos südländischer Kapellen und Votivgaben taucht auf. Die wuchtige Schwere der bereits errichteten Baukörper fehlt.

Statt der diffusen Sehnsucht nach dem Ornament, Würdemotiv oder mittelalterlichen Raum entsteht in der italienischen Architektur ein neuer Teil baulicher Authentizität. Die Intimität historischer italienischer Stadtkerne wird nicht mittels Wirklichkeitsersatz nachgeahmt, sondern durch moderne Architekturen geplant, die die Altstädte auf moderne Art fortsetzen können. Vittorio Gregottis Architekturen sind dafür vielleicht das beste Beispiel. Der Mailänder Architekt beschäftigt sich mit Städtebau, Architektur und Design. Seit Mitte der siebziger Jahre entwirft er Projekte für den sozialen Wohnungsbau in Cefalu (1976), die Universität von Kalabrien (1973) oder die Sportstadien von Barcelona, Genua und Nimes (1984-86). Der Topographie widmet er dabei nicht nur die Aufmerksameit für eine die Architektur konstituierende Bedingung. Gregottis Bauten interpretieren statt dessen die Landschaft. Schnittige Linien und Kuben erscheinen als Steigerung natürlicher Profile. rola

Die Ausstellung ist noch bis zum 15. Jänner 1991 im Lichthof der TU Berlin zu sehen. Mo. bis Fr. von 9 bis 20 Uhr, Sa. und So. von 9 bis 18 Uhr. Eintritt frei.

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