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„Angst als Anstoß für verspätetes Nachdenken“

■ Friedensgebet in der Oldenburger Garnisons-Kirche

„Die haben doch ganz einfach Angst“, sagt der Offizier des Jagdbombergeschwaders 43, deren zweite Staffel von Oldenburg nach Erhac in der Ost-Türkei verlegt worden ist. „Die Angst kann ein Anstoß für verspätetes Nachdenken mit all seinen Konsequenzen sein“, sagt der katholische Pfarrer, der Kriegsdienstverweigerer berät. „Ich habe Angst, wirklich schießen zu müssen“, sagt Dirk Klockgether.

Beim abendlichen Friedensgebet in der Oldenburger Kirche, die nach ihrem früheren Eigentümer noch den Namen „Garnison“ trägt, hat der 25 Jahre alte Zimmermann aus Rastede (Landkreis Oldenburg) „spontan“ den Entschluß gefaßt, den Kriegsdienst zu verweigern. Nachträglich, denn Dirk Klockgether hat seinen Wehrdienst bereits geleistet. Von Oktober 1987 bis Dezember 1988 gehörte er der Flugabwehrraketen-Einheit des Jagdbombergeschwaders 43 an, wurde ausgebildet für den Einsatz der — inzwischen ausgemusterten — Nike-Raketen.

Sein Gewissen sei damals „kein anderes“ gewesen als heute. Die Entscheidung, nach Abitur und Berufsausbildung zum Militär zu gehen, sei „schlicht opportunistisch“ gewesen. „Abenteuerurlaub bei der Bundeswehr“, zieht Klockgether selbstkritisch Bilanz. Das von Ausbildern im Unterricht erwähnte „Feindbild“ habe er nie ernst genommen. Mit der Gewißheit, nur „auf Pappkameraden“ zu schießen, konnte sein Gewissen leben.

Klockgether will jetzt seine Ankennung als Kriegsdienstverweigerer vor dem Prüfungsausschuß des Kreiswehrerssatzamtes in Oldenburg durchfechten. Dort wird jedoch zunächst das Verfahren eines Zeitsoldaten aus dem Jagdbombergeschwader 43 angesetzt werden. Der Soldat, der sich für vier Jahre bei der Luftwaffe verpflichtet hat, hatte sofort nach Bekanntwerden des Nato-Einsatzes im Zusammenhang mit der Golfkrise seine Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer beantragt. Er konnte daraufhin sofort seinen Jahresurlaub antreten.

In einem der ersten Friedensgottesdienste in der Garnisonkirche wurde der Aufruf verlesen, daß Menschen gesucht würden, die „denjenigen mit Rat und Tat zur Seite stehen wollen, die jetzt mit ihrem Gewissen in Konflikt geraten“. Dieser Kreis arbeitet anonym und meidet jeden Kontakt mit der Öffentlichkeit.

Für den Leiter des Oldenburger Kreiswehrersatzamtes läßt sich im Vergleich zum Vorjahr noch „kein gravierender Anstieg“ der Kriegsdienstverweigerungen erkennen. Die evangelischen und katholischen Pfarrer, die Anlaufstelle für Wehrpflichtige und zunehmend auch für besorgte Angehörige sind, sprechen aber von einer erheblichen Zunahme der Beratungsgespräche. Karin Güthlein (dpa)

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