100.000 gegen den Krieg

■ Großdemonstration auf dem Ku'damm gegen den Golfkrieg: Auch in Berlin ist die Friedensbewegung wiederauferstanden Vereinzelte Steinwürfe, zehn Festnahmen, aber alle wieder auf freiem Fuß/ Keine Hussein-Plakate, wie befürchtet, gesichtet

Kurfürstendamm. Der Ku'damm und die Innenstadt waren lahmgelegt — ein selten gewordenes Bild: Rund 150 Organisationen und Einzelpersonen vom SPD- und DGB-Vorstand bis zum »Plenum der autonomen und antiimperialistischen Gruppen« hatten für Samstag nachmittag zur Protestdemonstration gegen den drohenden Golfkrieg aufgerufen — und 30.000 DemonstrantInnen nach Polizeiangaben und »bis zu 150.000« nach Schätzung der Initiatoren kamen. Damit hatte die Friedensbewegung so plötzlich wieder Platz gegriffen, daß in und um die U-Bahnsteige geradezu drangvolle Enge herrschte.

Die Polizei, mit 1.000 Beamten im Einsatz, steigerte sie noch, indem sie Taschenkontrollen vornahm und den Verkehr bis kurz nach 13 Uhr mitten in die Menge leitete. Der Disziplinierungsversuch von der anderen Seite kam aus dem Lautsprecherwagen der Autonomen. Immer wieder versuchte eine Frau, die Reihen zu formieren: »Vorneweg der Block der Frauen und Lesben, dann der Block der Autonomen...« Doch die Menge mochte sich nicht dran halten, untypisch-undogmatisch mischten sich Kids und Apo-Opas, Autonome und Gewerkschafter, Punks und brave Familien, Deutsche und Ausländer. Mit einstündiger Verspätung brach der Zug endlich in Richtung Halensee zum türkischen Konsulat auf. Dort flogen vereinzelt Knaller in Richtung Polizeikette.

Anarcho-Fahnen und kurdische Flaggen, Transparente wie »IngenieurInnen gegen den Krieg« oder »Keine schwulen Krankenpfleger am Golf« flatterten durcheinander. Autonome in Palästinensertüchern drohten der »Internationalen Völkermordzentrale USA«, ganze Kindergruppen malten Kreidekreuze auf die Straße, eine Riesenmenge SchülerInnen von elf Jahren aufwärts tobte durch die Reihen. »Vollgut, daß hier so viele Leute sind«, befand einer befriedigt.

Die ‘Titanic‚- und ‘Elefantenpress‚-Redaktion hatte sich folgendes, vermeintlich witziges, Transparent einfallen lassen: »Hussein raus aus der Hafenstraße!«, und eine Tunte in Stöckelschuhen befand: »Schickt die Soldaten lieber zu mir als an den Golf!«.

Dennoch meinte die Polizei, den angeblich schwarzen Block in einem Spalier begleiten zu müssen. Auch vor Firmenniederlassungen, die an Irakgeschäften beteiligt sind wie Mercedes-Benz und Degussa, standen Polizeiketten und Wannen. Einige wenige Steine und Knaller flogen — zwei Scheiben bei der Deutschen und der Berliner Bank gingen zu Bruch — und einige wenige Rangeleien begleiteten den ansonsten friedlichen Zug. Zwei Polizisten wurden leicht verletzt, zehn Personen wurden vorübergehend festgenommen, darunter auch der Sprecher der »Kampagne gegen Wehrpflicht« (siehe Seite 22).

Erst gegen halb fünf Uhr erreichte die Demonstration den Tauentzien, Ort der Abschlußkundgebung. Hussein-Porträts, wie von den InitiatorInnen befürchtet, waren zwar nirgends zu sehen gewesen, aber ein Transparent mit der Aufschrift »Verteidigt den Irak!« sorgte hier für Ärger und wurde schließlich weggerissen. usche