Segen für den Golfkrieg Briten machen mobil

London (taz) — Es riecht nach Krieg in Großbritannien. Die Mobilmachung hat die ganze Gesellschaft erfaßt. Die Boulevardpresse behandelt den Feldzug gegen Saddam Hussein längst als ausgemachte Sache, die Regierung veröffentlicht täglich neue Warnungen und Vorschriften für den Kriegsfall und einberufene Soldaten gehen schnell noch aufs Standesamt, um ihre privaten Angelegenheiten in Ordnung zu bringen. Tausende von Krankenhausbetten sind requiriert worden und für die Presse hat das Verteidigungsministerium detaillierte Zensurbestimmungen veröffentlicht.

Abgesehen von der großen Demonstration am Samstag in London, melden sich nur vereinzelt überzeugte KriegsgegnerInnen zu Wort. Hauptgewinner der Vorkriegssituation sind unterdessen die Tories, die sich einer Beliebtheit wie selten zuvor erfreuen.

Zwar wertete der linke Labour- Abgeordnete Tony Benn die Samstagsdemo als Zeichen dafür, daß „die Briten keinen Krieg wollen“, übersah dabei jedoch, daß seine eigene Partei in der Frage des Golfkonflikts zwischen völlig vagen Positionen hin und herlaviert. Mal ertönt aus der Labour-Fraktion im Unterhaus der Ruf, die Sanktionen länger wirken zu lassen, dann wieder macht die Parteispitze deutlich, daß sie die britischen Truppen „wenn es Krieg gibt“ unterstützen wird.

Für den oppositionellen Schlingerkurs dürften auch die letzten Meinungsumfragen auf der Insel verantwortlich sein. Danach ist die Labour- Partei, die mit der Sanktionspolitik identifiziert wird, in der Wählergunst erheblich hinter die Konservativen zurückgefallen. Die Tories hingegen, die noch vor wenigen Monaten eine schwere Krise durchmachten, erleben ihr zweites Malvinenhoch, sie rangieren knapp unterhalb der absoluten Mehrheit.

Die Mehrheit der britischen Medien und öffentliche Einrichtungen hauen ganz selbstverständlich mit auf die Kriegstrommel. „Oxford auf Kriegsopfer vorbereitet“, lautete Ende vergangener Woche die Erfolgsmeldung einer Provinzzeitung auf Seite eins. Eine Londoner Zeitung berichtet in ganzseitiger Aufmachung über den Arzt, der noch im letzten Moment vor der Fahrt an den Golf seine Braut geehelicht hat. SozialarbeiterInnen werden auf ihre zukünftige Aufgabe vorbereitet, die Hinterbliebenen der Opfer zu verständigen. Das Transportministerium warnt vor Flügen angesichts der steigenden Gefahr von Terroranschlägen. AutofahrerInnen sollen sich darauf einstellen, daß im Kriegsfall das Benzin rationiert und die Spitzengeschwindigkeit auf britischen Straßen auf 50 Meilen in der Stunde (etwa 80 Kilometer in der Stunde) begrenzt werden könnten. Die Berichterstattung aus dem Kriegsgebiet will das Verteidigungsministerium de facto übernehmen: Die Zahl der JournalistInnen im Kriegsgebiet soll erheblich reduziert werden und die verbleibenden nur noch über feindliche, nicht aber britische Verluste berichten dürfen — unter militärischer Aufsicht. An den schwarzen Brettern öffentlicher Einrichtungen hängen Hausmitteilungen über die Prozeduren für einberufene Mitarbeiter. Erzbischof von Canterbury erteilte dem bevorstehenden Massensterben im Ölkrieg seinen Segen: „Es gibt einen Punkt, wo die militärische Option das kleinere Übel ist“, salbaderte Robert Runcie. Clara Coq