: „Verdammt, das ist kein Film"
■ Zivi-Warnstreik gegen den Golfkrieg / 300 bei Demonstration dabei
Jetzt folgt eine Anti-GolfkriegsDemonstration der nächsten. Gestern um elf Uhr hatten etwa 500 Bremer Zivildienstleistende — ein Drittel aller Bremer Zivis — den Marktplatz mit Beschlag belegt. Ihre Kundgebung war noch nicht beendet, als sich hinter ihnen schon mehrere tausend SchülerInnen versammelten. Als die Zivis in Richtung Brill losgingen, fanden sie sich plötzlich eingekeilt zwischen den SchülerInnen hinter ihnen und einigen hundert Jugendlichen, die über die Oberstraße in Richtung Marktplatz strömten. Nachdem die SchülerInnen Platz gemacht hatten, zogen die Zivis zum Brill, wo sie durch die Blockade der Kreuzung zur Bürgermeister-Schmitt- Starße einen halbstündigen Verkehrsstillstand erzeugten.
Die Demonstration war ein kollektives Sich-gegenseitig-Wachrütteln. Auf einem Transparent stand: „Verdammt, das ist kein Film“. Tim Voß von der „Selbstorganisation der Zivildienstleistenden“ (SOdZDL) rief seinen KollegInnen über die Megaphone des Lautsprecherwagens zu: „Wir waren jahrelang still. Wir haben jahrelang widerstandslos hingenommen, wie wir für den Krieg verplant wurden. Jetzt reicht's. Was sind schon 50 Mark Disziplinarstrafe, wenn wir gegen einen Krieg streiken? „ Wenn es zum Krieg am Golf komme, sei ein Massenmord an Soldaten und Zivilisten zu befürchten. Tim Voß sagte, es gehe am Golf nur um Macht und Öl und nicht um Freiheit und Menschenrechte. „Die Menschenrechtsverletzungen im Irak haben die USA vorher auch nicht interessiert“. Er forderte eine „Lösung der Golfkrise durch die arabischen Staaten“ und rief die Zivis zum fortgesetzten zivilen Ungehorsam auf.
Viele Zivis trugen während der Demonstration Atemschutzmasken oder hatten sich die Köpfe mit blutigen Verbänden umwickelt. Einige DemonstrantInnen hatten eine schwarze Fahne dabei, darauf allerdings kein roter Stern oder anarchistische Symbole, sondern nur die chemische Formel „CO2“. Das Thema bewegte viele: Europa könnte unter einer Klimakatastrophe leiden, wenn die Truppen am Golf die Ölfelder in Brand setzen.
Vom Brill zog die Demonstration zum Bundeswehr-Hochhaus, vorneweg immer ein Sarg. Aus dem schauten blutige Knochen, Fleischreste und ein Totenschädel heraus: die Zivis hatten vorher beim Metzger eingekauft. Ohne viele Worte und große Erklärungen kippten die DemonstrantInnen ihre makabre Ladung vor dem Eingang der Bundeswehr ab, direkt den Polizisten vor die Füße, die den Eingang bewachten.
Ein Sprecher der SOdZDL sagte, „es muß klar sein, daß das Hinterland nicht mehr zur Verfügung steht. Unser Warnstreik heute ist nur der erste Schritt.“ Die Zivildienstleistenden diskutieren, ob sie in einen unbefristeten Streik treten, wenn der Krieg tatsächlich beginnt. Ein unbefristeter Streik würde bedeuten, daß auch keine verwundeten Soldaten gepflegt werden, die in deutschen Krankenhäusern liegen. Auch normale PatientInnen könnten darunter leiden, denn oft sind die Krankenhaus-Stationen auf die Zivis angewiesen. Im Augenblick ist noch nicht klar, ob es im Kriegsfall zum Zivistreik kommt. Bei der SOdZDL sollen sich aber diejenigen melden, die sich auf diese Aktionsform vorbereiten und über sie diskutieren wollen. Hannes Koch
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