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Sovetskoe Foto

■ Angenehm schwer

Deutsche Bands haben‘s nicht leicht. Machen sie Pop, müssen sie sich ständig dafür rechtfertigen nicht deutsch oder nicht englisch zu singen. Versuchen sie so etwas wie Avantgarde-Zeugs zu produzieren, wird ihnen gar nicht erst zugehört, es sei denn auf dem Plattencover stehen Namen wie John Zorn oder Fred Frith.

So ging es auch der Rosenheimer Band Sovetskoe Foto bis vor kurzem. Sie machten zwei Alben und bis auf ein paar nette, aber wie so oft folgenlose freundliche Kritiken, passierte scheinbar nicht viel. Bis endlich ein amerikanisierter Brite mit authentischem Avantgarde Background ihren Weg kreuzte. Bei einem Konzert in München lernten die Rosenheimer den Gitarristen Fred Frith kennen. Frith, von dem man spätestens seit seinem großartigen Dokumentar-Musik-Spiel- Schwarzweiß-Film »Step Across The Border« weiß, daß er in aller Welt mit jedem zu jeder Zeit mit nichts als Topfdeckeln so inspiriert zu improvisieren versteht, daß es nach guter Musik klingt. Dieser Zauberkünstler also hat Walter Sterr (Gitarre) und den Bassisten Georg S. Huber (beide zusammen sind Sovetskoe Foto) mit John Zorn und Martin Bisi verkuppelt.

Im Sommer 1989 nahm man in München mit Unterstützung von Frith die Musik zum neuen Album »The Art of Beautiful Butling« auf. Mit den Bändern und der Band im Gepäck flog der leidenschaftliche Grenzgänger Frith dann Anfang 1990 nach New York. Martin Bisi, der schon Projekten wie Material (mit Bill Laswell, Arto Lindsay & Co), oder den Golden Palominos seinen Stempel unerbittlich aufdrückte, kümmerte sich noch einmal um das Rohmaterial. Unter den Fingern von Bisi wandelte sich der Sovetskoe Sound in ein schweres, auf den ersten Blick finsteres Gebräu, das den vermeintlichen New Yorker Vorbildern kaum nachsteht. Die Rosenheimer schleppen sich schwerfällig über ihre Gitarren gebeugt durch die Titel, als hätte man ihnen die Betonschuhe für Tauchstationen im East River schon zum Landgang von Manhatten nach Brooklyn verpaßt, wo Bisi ihre Musik in seinem hauseigenen Studio zu dicken Kabelsträngen zusammenknotete.

In Titeln von 2‘30 Kürze wie »Misfit« entsteht so ein kompliziertes Soundgeflecht, das mit Melodiebröckchen aus Gitarre und Synthie sparsam aber effektiv haushaltet. Jemand besingt eisern den »Beauty Spot«. Der Schlagzeuger schlägt fast so träge und präzis wie ein Drumcomputer, nur eben ein bißchen unerbittlicher, weil menschlicher. Alles sehr schwer, sehr verwoben, sehr angenehm.

Es gibt sogar ein »Love Theme« mit Gast-Cellistin Stefanie Kammerlander, merkwürdig passend unpassendem Tabla-Geklopfe und weit ausholendem Synthie. Hier und da hält Fred Frith noch seine Gitarre dazwischen, weil's sich gerade so ergibt und auch nichts schadet. Und dann kommt auch noch — angeblich spontan — Rabiat-Saxophonist John Zorn im Studio vorbei und bläst mit all seiner Gewalt herrlich brachial alles was er hat: »Everything I Had«. Das müßte eigentlich reichen zum Erfolg (auch in Deutschland). Besser als die verblichenen Kastrierten Philosophen, die zu sehr an Velvet Underground hingen und vielleicht sogar besser als die Berliner Combo Die Haut, weil finster und intelligent verspielt.

Auch ohne die großen amerikanischen Namen, die leider natürlich bei einer Deutschlandtournee von Sovetskoe Foto nicht auf der Besetzungsliste stehen, dürfte die Band genügend Dampf und Material in New York und Rosenheim gespeichert haben, um einen kräftigen Konzertgenuß zu liefern. (ab 21 Uhr im Ecstasy) Andreas Becker

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