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DAS kommt davon!

■ Seit Anfang Januar auf N3: Das AbendStudio „DAS!“ / Das Neutralste am Norden

Um Eigenlob ist der Norddeutsche Rundfunk nicht verlegen: „Der NDR — das Beste am Norden“ heißt die Globalformel, mit der die Dreiländeranstalt für sich hausieren geht. Deshalb wundert man sich dann doch ein wenig, woher der NDR, der schon immer alles an sich so toll gefunden hat, die Kraft noch nehmen will, im dritten Fernsehprogramm ab Januar 1991 noch Tolleres, noch Aktuellereszu bieten.

Montag bis Freitag, 18-20 Uhr: DAS hat uns nun gerade noch gefehlt

So preist jedenfalls das NDR-Magazin, die monatliche Werbepostille dieser Anstalt, die neue Werktags-Magazinsendung an: von 19 bis 20 Uhr mit Namen „DAS!“ Was?

Ja, DAS heißt das: Das AbendStudio. Oder Drei ab Sieben. Oder Direkt-Aktuell-Schnell. „DAS!“ eben, ganz einfach „DAS!“ Doch wenn man es recht bedenkt, ist das im Deutschen der Artikel für ein Neutrum. Und wenn man „DAS!“ recht besieht, fehlt diesem Sendung tatsächlich sowohl das Weibliche wie auch das Männliche. Sie ist nicht alt, nicht jung, nicht Hüh noch Hott, nicht Fisch, nicht Fleisch. Mit anderen Worten und aufs Medium bezogen ausgedrückt: Die Konzeption von „DAS!“ läßt nicht erkennen, für welche Art Publikum die Sendung sehenswert sein soll.

DAS kommt davon, wenn man sich mit selbstlobvollem Mund und bravem Mittelwert-Programm ins Wohnzimmer von Familie Durchschnittsbürger drängeln will, ohne sich bewußt zu machen, daß „Durchschnitt“ bloß das statistische Abstraktum für Sendeplanungs-Hasenfüße ist.

„Vielfältig, abwechslungsreich, aktuell, weltweit, norddeutsch. Service, Beratung, Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur, Sport, Nachrichten, Wetter. Interviews, Reportagen, Studiogespräche, Liveschaltungen“: So wird im NDR-Magazin „DAS!“ angekündigt — wie abgeschrieben aus einem Katalog der Selbstverständlichkeiten, denn all dies kann man als Zuschauer schließlich mit Fug und Recht erwarten. Entscheidend aber ist: Wie wird die Sendung strukturiert, was sind die Themen, wie werden sie präsentiert und wie wird moderiert?

Und da fällt vor allem eines auf: Die Moderatoren krallen sich unsicher an den Rubriken fest, die pflockartig und seltsam richtungslos aus der Sendung ragen: der „Nachrichten-Block“ ist schlicht die „Tagesschau“ (damit wäre das „Weltweite“ abgedeckt); dann gibt es täglich Sport — mit Moderationstexten zum Steinerweichen: „Es heißt zwar der Sport, aber jetzt kommt „DAS!“ Sport“, sagt Reinhard Münchenhagen — dem man sogar noch abnimmt, daß ihm die Sache etwas peinlich ist —, und Sportmoderator Gerhard Delling greift ohne Pein und volles Rohr neben den Sprachspielstrohhalm: „Es heißt aber immer noch der Krieg, und der beschäftigt natürlich auch die Sportler.“ Doch selbst der Krieg bringt die Rubrik Musikvideo nicht zum Schweigen. Münchenhagen: „Auch die Lust am Singen kommt einem abhanden in diesen Tagen. Aber es kommt auf die Texte an: Suzanne Vega singt men in a war.“

„DAS! gegen den Strom“ heißt die Rubrik, in der „unser Elbe- Team“ stimmungs-und ästhetisch salbungsvolle Landpartien unternimmt: nach Altengamme zum Müller und siner Fru oder zur Fähre Wischhafen-Glückstadt. Die „Studiogespräche“ kann man nur als Abhak-Rubrik bezeichnen: Ob Litauer, ob Päckchenpacker für die Sowjetunion — sie sitzen als heimatlose Staffage- Grüppchen da und einer höchstens darf ganz knapp Rede und Antwort stehen.

Mehr Zeit nimmt sich „DAS!“ für werbende Hinweise aufs Programm im Dritten: Ausschnitte aus Abendsendungen, die man zunächst — unredlicherweise — als Magazinbeitrag präsentiert bekommt. Erst wenn die Autoren hinterher im Studio sitzen (“Interview“ abgegolten), wird einem klar, daß „DAS!“ wieder mal für den NDR geworben hat.

Was dann noch bleibt, sind hausbackene Beiträge zur Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Bildungs-, Informations-und Kulturauftrags - schematisch abgedreht und formelhaft-steif getextet: „Eine Dioxinuntersuchung ließ die Biller Bürger aufhorchen“ oder „die Müllvermeidung sollte im Vordergrund stehen. Andernfalls wird der technische Fortschritt schnell zum umweltpolitischen Rückschritt.“ Wer hätte das gedacht? Und mit wem eigentlich muß man in so gestelzten Tönen reden?

„DAS!“ hat sich in zeitlicher Konkurrenz zu buten & binnen ins Programm gepflanzt, und Christian Berg, die eine Säule des Bremer Magazins, ist übergelaufen zu dieser Sendung, die derzeit in ihrer konturlosen Biederkeit noch weit davon entfernt ist, Zuschauer von buten & binnen abzuziehen. Zuschauer vor allem, für die im norddeutsch-flächendeckenden „DAS!“ ja nur unter anderem aus Bremen berichtet werden kann. Es gibt allerdings für buten & binnen-Redakteure keinen Grund, sich angesichts so schlapper Konkurrenz in Selbstgefälligkeit zu wiegen. Auch wenn ein Christian Berg aus „DAS!“ nicht einen Phönix macht — bei buten & binnen hat sein — und Michael Geyers — Abschied bereits spürbaren Moderations-Verfall bewirkt. Man wird sich nächstens auch das genau betrachten müssen: wie unter der Maske der Lockerheit die journalistische Unbedarftheit stammelt. Sybille Simon-Zülch

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