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Die Elefanten humpeln ins Bett

■ Koalitionsverhandlungen nach wie vor mühsam und zäh/ Acht Augen der Spitzenpolitiker bereits überreizt/ Weiterhin Dissens beim Paragraphen 218 und der Stromtrasse/ Ende der Deeskalation?

Berlin. Die künftige Elefantenkoalition im Schöneberger Rathaus hat gestern ihr Regierungsprogramm vorgestellt, ohne jedoch mit ihren Verhandlungen viel weitergekommen zu sein. Um die letzten Dissenspunkte zu klären, die bei der Stromtrasse und bei der Position zum §218 lagen, brauchten die Verhandler den ganzen Nachmittag. Nach einem Achtaugengespräch zwischen den Partei- und Fraktionschefs beider Parteien mußten die strittigen Themen nochmals in die große Runde.

Hier in Kurzform die wichtigsten Beschlüsse der Entwurfsfassung; die endgültige Fassung wurde erst nach Redaktionsschluß veröffentlicht:

—Innere Sicherheit: Nicht mehr im Programm steht das rot-grüne Konzept der Deeskalation. Die SPD versucht sich in einer Formulierung wiederzufinden, die diesen Begriff angeblich umschreibt. »Die Polizei wird militante Straßengewalt entschieden, besonnen und rechsstaatlich bekämpfen. (...) Wo es geboten ist, wird die Polizei unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit entschlossen eingreifen.« Für Hausbesetzungen gilt in Zukunft die »Berliner Linie«, die auch der amtierende Senat seit Juli 1990 in der ganzen Stadt anwenden ließ. »Neuen Formen von Kriminalität«, »insbesondere Jugendgruppengewalt, Kriminalität von Jugendbanden, kriminellem Straßenhandel und besonderen Formen von Ausländerkriminalität« soll »entschlossen begegnet« werden. Für die Freiwillige Polizeireserve soll bis Ende Juni ein Bedarfsplan für ganz Berlin erstellt werden. So schnell wie möglich wollen die neuen Bündnispartner ein neues Polizeigesetz und Verfassungsschutzgesetz verabschieden.

—Justiz: Die Vollzugsanstalt Rummelsburg soll nicht wieder in Betrieb genommen werden, in Hohenschönhausen soll eine Gedenkstätte und eine Dokumentation über Stasi-Gefängnisse errichtet werden. In das ehemalige Alliierte Kontrollratsgebäude am Kleistpark soll wieder das Kammergericht einziehen. Eine enge Zusammenarbeit wird mit dem Land Brandenburg angestrebt. Gedacht ist an ein gemeinsames Verfassungs- oder Verwaltungsgericht.

—Soziales/Gesundheit: Am Berliner Modell der Förderung von Selbsthilfeprojekten soll festgehalten werden. Für ganz Berlin soll so schnell wie möglich ein Krankenhausplan erstellt werden, die Sozialstationen vor allem im Ostteil der Stadt sollen ausgebaut werden. Kita- Plätze sollen rund um die Uhr verfügbar sein, im Osten aber »bedarfsgerecht« abgebaut werden.

—Frauen: Hier hat man sich darauf verständigt, daß das Ressort auf jeden Fall mit einem anderen zusammengelegt wird. Bei allem anderen ist der Zuschnitt noch offen.

—Wirtschaft/Arbeit: Die Formulierungen bleiben hier höchst allgemein. Der Industriestandort Berlin soll vor allem im Osten ausgebaut und produktionsnahe Dienstleistungen verstärkt werden. Mit dem Land Brandenburg wird ein Regionalverband angestrebt.

—Verkehr: Für die Sanierung des S- und U-Bahnnetzes innerhalb von 15 Jahren wird ein Bedarf von einer Milliarde DM im Jahr angesetzt. Wo allerdings das Geld dafür herkommen soll, wird offengelassen.

—Schule/Wissenschaft: Die Vielgliedrigkeit des Schulsystems soll in beiden Teilen der Stadt erhalten werden und in ganz Berlin — die SchülerInnen werden sich freuen — die Fünftagewoche eingeführt. kd

Eine ausführliche Vorstellung von Einzelressorts folgt.

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