: Saddam: „Weg mit den Niederträchtigen!“
■ Irakischer Staatschef zeigt sich unnachgiebig/ Radio Bagdad berichtet über Brief an Bush/ Keine Angaben über Opfer oder das Ausmaß der Zerstörung
Berlin (taz) — „Um 2.30 Uhr nach Mitternacht haben die Verräter ihre Tat begangen. Der Verbündete des Satans, Bush, hat sein hinterhältiges Verbrechen zusammen mit dem frevelhaften Zionismus begangen. Er begann den großen Kampf, die Mutter der Schlachten. Es ist die Kraftprobe zwischen dem siegreichen Recht und dem Unrecht, das — mit Gottes Hilfe — notgedrungen untergehen wird... Die Verbrecher werden davongejagt werden.“ Mit diesen Worten leitete der irakische Staatschef Saddam Hussein gestern seinen Appell an die Bevölkerung ein, der vom Rundfunk übertragen wurde. Wie seit Beginn der Golfkrise üblich, bezog sich der bis dato laizistisch gesonnene Diktator wiederholt auf Gott, und garnierte seine Rede auch noch mit zwei Koran-Zitaten.
„Brüder, Allah steht uns bei — er leistet den Gläubigen, Ausdauernden, Standhaften und Kämpfern Beistand. Er ist — so Gott will — ihr Helfer. Die Erlösung ist nahe für die ganze Nation. Die Throne und Königreiche, die auf Korruption basieren, werden ... hinweggefegt werden. ... Das teure Palästina wird befreit werden ... Golan und Libanon und die Menschen auf arabischem Boden wird befreit werden“, sagte Saddam und stellte damit erneut den Zusammenhang mit dem Palästinenserproblem her. Er schloß mit dem Ausruf: „Weg mit den Niederträchtigen.“
Wie Radio Bagdad am Nachmittag berichtete, hatte Saddam am Mittwoch Bush schriftlich versichert, daß er die amerikanischen Drohungen nicht fürchte. Er suche Frieden gemäß den „göttlichen Gesetzten“ und „nicht aus Furcht vor dem Teufel“. Er habe Bush in dem Brief gewarnt, daß Washington nach einem Angriff nicht mehr Ort und Zeitpunkt der großen Schlacht bestimmen könne.
Hinweise auf ein Einlenken gab Iraks Diktator nicht. Im Gegenteil gab er sich wieder ganz als der standhafte arabische und islamische Führer, der dem Imperialismus und Zionismus trotzt — um den Preis des eigenen Untergangs. Seine Sprache erinnert zudem an die seiner ehemaligen Erzfeinde in der Islamischen Republik zu Zeiten des irakisch-iranischen Krieges. Einst war es Khomeini, der die USA als großen Satan bezeichnete; jetzt ist es Saddam, der vom Satan Bush spricht. Auch sein bislang ungebrochener Wille zum Kampf, egal zu welchem Preis und die Mobilisierung von drei weiteren Jahrgängen erinnert an Zeiten, in denen der Iran seine Soldaten mit dem Schlüssel zum Paradies um den Hals in den Märtyrertod auf den Minenfeldern schickte.
Jenseits dieser Rhetorik gaben die irakischen Medien gestern kaum konkrete Informationen. Gemeldet wurde der Abschuß von vierzehn gegnerischen Flugzeugen. Auch wenn die Gegenseite sich hinsichtlich der eigenen Verluste sehr bedeckt hielt, dürfte diese Zahl übertrieben sein. Die Soldaten wurden aufgefordert, gefangene Piloten nicht zu töten und die Bevölkerung wurde zum Widerstand aufgerufen. Der Rundfunk sendete hauptsächlich patriotische Lieder und Zitate aus dem Koran.
Von der Zahl irakischer Opfer und dem Ausmaß der Zerstörung durch die Luftangriffe liegen keinerlei Angaben vor. Allein in der Fünf- Millionen-Metropole wird es einige Zeit dauern, bis der Grad der Schäden ausgemacht ist. Die in Bagdad ansässigen ausländischen Journalisten konzentrieren sich alle im Hotelviertel der Stadt; daher ist auch der Ausschnitt, den sie wahrnehmen können, begrenzt. Ihren Angaben zufolge ist das Stadtzentrum nicht getroffen worden; aus der Ferne habe man aber Abwehrfeuer hören können. Die Telefonleitungen sind zumindest zum Teil unterbrochen; gleiches gilt für die Telexverbindungen. Ein Journalist berichtete, in seinem Hotel gebe es kein Wasser mehr und die Versorgung mit Elektrizität sei unterbrochen. Berichten zufolge verlassen nach wie vor Bagdader ihre Stadt.
Am Vortag des Angriffs hatten die irakischen Behörden den Journalisten eine freie Berichterstattung zugesichert, die es bislang nicht gab. Wie BBC meldete, war die Führung in Bagdad besorgt darüber, daß zahlreiche Korrespondenten vor Ablauf des UNO-Ultimatums das Land verlassen hatten. Sie hat naturgemäß ein Interesse daran, daß über die Opfer und die durch die Angriffe angerichtete Zerstörung breit berichtet wird. Doch wieviel von solchen Zusicherungen nach freier Berichterstattung zu halten ist, zeigte sich bereits einen Tag später: Ein Fernsehteam von BBC wurde bei nicht genehmigten Aufnahmen in Bagdad von einer Zivilstreife der Polizei gestoppt. Der Kameramann wird nach Auskunft des Korrespondenten noch festgehalten. Er selbst und der Fahrer seien entkommen, doch Polizisten warteten vor der Tür seines Hotelzimmers. B.S.
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