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Bagdad unter Bombardement

■ Leere Straßen, nur wenige zerstörte Häuser/ Ausländische Berichterstatter standen nahezu unter Hausarrest/ Keine Absperrungen zur jordanischen Grenze/ Auch Abwehrgeschütze blieben ganz

Trebil (afp) — Bagdad wirkte unter dem Eindruck der infernalischen Luftangriffe am Freitag wie versteinert: leere Straßen, die Türen und Fenster der Häuser verbarrikadiert, kaum Soldaten. Vertreter der Regierung scheinen aus der Stadt verschwunden. Trotz des Bombenhagels sehen die Journalisten, die die irakische Hauptstadt in Richtung Trebil an der Grenze zu Jordanien verlassen, nur wenige zerstörte Häuser.

Die Angriffe der multinationalen Streitkräfte scheinen von unvorstellbarer Genauigkeit zu sein. Von der Postzentrale mitten in einem Bagdader Wohnviertel wurde nur der Sendemast getroffen, während ringsum keinerlei Schäden entstanden. Das gleiche gilt für das zerstörte Verteidigungsministerium am linken Ufer des Tigris sowie für die Zentrale der Baath-Partei und den in Schutt und Asche gelegten Präsidentenpalast auf der anderen Flußseite.

Offenbar wurde nicht ein einziges Haus in der Nachbarschaft in Mitleidenschaft gezogen. Obwohl das irakische Informationsministerium die Verluste unter der Zivilbevölkerung als „enorm“ bezeichnet, gestattete es ausländischen Journalisten nicht, in die bombardierten Stadtviertel und in Krankenhäuser zu gehen. Die etwa zwanzig ausländischen Berichterstatter, denen am Donnerstag abend im Bagdader Raschid-Hotel die neuen strengen Zensurbestimmungen übermittelt wurden, standen nahezu unter Hausarrest. Selbst der Gang in den Garten wurden ihnen von irakischen Sicherheitskräften untersagt.

Während die drei Vertreter des Informationsministeriums im Hotel zunehmend an Autorität verloren, übernahmen die Sicherheitsleute im Laufe der Stunden das Kommando. Journalisten, die ihrer Überwachung entgehen wollten, lieferten sich in der Nacht ein wahres Versteckspiel mit den Irakern, die mit Kalaschnikows im Anschlag und Gasmasken am Gurt in den dunklen Hotelfluren und -salons nach Abgetauchten suchten.

Bereits seit Donnerstag morgen waren Stromversorgung und Telefonleitungen in Bagdad unterbrochen. Auch die Wasserzufuhr kam teilweise zum Erliegen. Auf der 500 Kilometer langen Autobahn zur jordanischen Grenze gibt es keinerlei Absperrungen.

In den Randzonen Bagdads tauchen Flakbatterien auf. Ihre Doppelrohrgeschütze scheinen noch intakt, angesichts des Bombenhagels amerikanischer Marschflugkörper und B-52-Bomber jedoch auch vollkommen nutzlos. Auch die irakischen Flugabwehrgeschütze, die auf Hausdächern in Bagdad installiert sind, wurden von den angreifenden Truppen offenbar nicht würdig befunden, zerstört zu werden. Denn mögliche Ziele in ihrer Umgebung wurden zielsicher zerstört. Am Stadtrand sind etwa ein Dutzend Rauchwolken zu sehen, sie scheinen unter anderem aus einer Raffinerie und einem Elektrizitätswerk aufzusteigen.

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