: Vera Rüdiger fängt neues Leben an
■ Gesundheitssenatorin nur noch bis zum Herbst / Privatleben gegen „Hohlheiten“
Sie wirkte weder verärgert noch entmutigt, sondern zuversichtlich, neugierig und wie immer entschlossen: Dr. Vera Rüdiger, promovierte Politologin und Bremer Senatorin für Gesundheit und Bundesangelegenheiten, will im nächsten Senat nicht mehr dabeisein und wird ihr Amt nur noch bis zum Ende der Legislaturperiode im Herbst behalten: „Vier Jahre waren damals abgemacht.“ Das teilte sie am späten Freitag abend einer überraschten JournalistInnen-Runde mit, nachdem sie nachmittags mit Bürgermeister Wedemeier und mit einigen MitarbeiterInnen über ihren Entschluß gesprochen hatte.
Vera Rüdiger, die Woche für Woche zwischen Bonn und Bremen pendelt und für ihre 7-Tage- Woche bekannt ist, will mit dem „einseitigen, preußisch arbeitsorientierten Leben“ Schluß machen und lieber „einfach mal die Seele baumeln lassen, Freundschaften pflegen und aufbauen, endlich in die Shakespeare-Company gehen und Einladungen zu Ausstellungen annehmen — zu einem Zeitpunkt, wo ich die Spannkraft noch dazu habe und wo ich! die Entscheidung treffe“.
Vera Rüdiger hat in der Politik, auch schon vor der Zeit der Quote, Frau und Mann gestanden: „Ich bin ein workaholic, ich hänge an Zielen.“ Die heute fast 55jährige aus Kassel kam 1970 in den hesssischen Landtag und wurde in Hessen erste weibliche Ministerin. 1987 nach Bremen gerufen, mußte sie zunächst die Scherben des Schwarzgeld-Klinik-Skandals aufräumen. In der Bremer Drogenpolitik gelang ihr in kurzer Zeit viel Überzeugungsarbeit in der damals verhärteten Methadon-Diskussion: Ohne „Programm“ bekommen jetzt in Bremen nach Einzelfall-Prüfung mehr Junkies den Heroin-Ersatz Methadon als in jedem anderen Bundesland.
Ihrem Entschluß, so Rüdiger, sei ein langer Prozeß vorausgegangen. Sie wolle „nach den langen Jahren politischer Verantwortung nie wieder politische Institutionen mi ihren Gespreiztheiten und Hackordnungs-Profilierungen“, in Bremen oder anderswo. Aber nicht aus Frust: „Ich habe kein wundes Herz.“ Die Hessin will wohl in Bremen bleiben. Und auch das Parteibuch behalten: „Ich bin in der Wolle gefärbte Sozialdemokratin.“ Aber nicht schon wieder neue Ämter, Engagements, Verpflichtungen: „Ich gestatte mir, jetzt Nein zu sagen. Das ist meine Zeit. Ich habe keine Angst vor dem Nichts. Und: Ich liebe Jeans!“ S.P.
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