: Kuwaitis in Kairoer Exil
Während die geflüchteten ägyptischen Arbeiter kaum Hilfe erwarten können, haben sich die exilierten Kuwaitis in Kairo fürs erste eingerichtet ■ Aus Kairo Marilyn Touma
Am Morgen nach dem Angriff auf den Irak hatten die Gäste im Kairoer Nobelhotel Nil Hilton Grün gesehen: Junge Kuwaitis waren zur Feier des Tages im Kampfanzug zum Frühstück erschienen und kämpften mit den Spiegeleiern. Noch in der Nacht hatten die Umzüge jubelnder Kuwaitis mit durchdringenden Hupkonzerten die Kairoer Bürger aus dem Schlaf geweckt. Bei offenen Schiebedächern in ihren Autos stehend, fuhren sie während des Tages fahnenschwingend durch die Kairoer Innenstadt und skandierten: „Free Kuwait“. Manche Taxifahrer schüttelten den Kopf und fragten: „Warum fahren die nicht nach Hause und kämpfen, statt hier Umzüge zu veranstalten?“
Obwohl sich von den insgesamt 250.000 kuwaitischen Flüchtlingen nur knapp 30.000 in Kairo aufhalten, ist ihre Präsenz in der Millionenmetropole am Nil unübersehbar. Die Masse an Chevys, Cadillacs und blankpolierten Mercedes-Limousinen ist neu in den Straßen Kairos. In den Supermärkten findet man das Sortiment seit einiger Zeit um diverse Sticker mit „Free Kuwait“- Sprüchen und dem Konterfei des kuwaitischen Emirs erweitert. Mit nichts als einer kuwaitischen Fahne bedeckt, posierte eine kuwaitische Aktivistin für das Foto auf der Titelseite einer Illustrierten.
In den Kairoer Luxushotels, Wohnungen und Büros warten die Kuwaitis auf ihr Land. Daß Kuwait nach diesem Krieg wahrscheinlich nur noch aus Trümmern und einem Stück verbrannter Erde bestehen wird, ist den meisten zwar bewußt, es treibt aber offenbar niemanden wirklich zur Verzweiflung.
Allerdings machten sich viele Kuwaitis große Sorgen um ihre in Kuwait gebliebenen Familienangehörigen, meint Belqis Al-Naggar, die Leiterin des kuwaitischen Informationszentrums in Kairo. Aber sie ist dennoch optimistisch: „Wir haben schon Pläne für den Wiederaufbau. Wir werden alle sehr hart arbeiten müssen. Aber die Kuwaitis haben immer wie eine Familie zusammengehalten.“
Tatsächlich brauchen die Kuwaitis sich um ihre finanzielle Zukunft keine Sorgen zu machen, denn ihre Wirtschaft befand sich größtenteils schon vor der Golfkrise im Exil. Die größte Sorge unmittelbar nach der Invasion war denn auch die Rettung der Datenbanken aus Finanz- und Bankwesen, mit deren Hilfe nun vom saudischen Taif aus die kuwaitische Wirtschaft dirigiert wird. Die meisten kuwaitischen Firmen, ebenso wie die kuwaitische Tageszeitung 'Sawt Al-Kuwait‘ ('Stimme Kuwaits‘, ehemals 'Al-Qabas‘) arbeiten derzeit in London. Allein über die kuwaitischen Auslandsinvestitionen kommen täglich schätzungsweise 20 Millionen US-Dollar Gewinn herein.
Die meisten kuwaitischen Flüchtlinge betrachten ihren Aufenthalt in Kairo als vorübergehend, bis auf einige wenige, die hier ihren Geschäften nachgehen oder Universitätsprofessoren mit Lehraufträgen. Es wäre auch kaum möglich, die Kuwaitis in das ägyptische Arbeitsleben zu integrieren, da das Land selbst nicht weiß, wohin mit den Hunderttausenden zurückgekehrten Auslandsägyptern. Das wirtschaftliche Gefälle zwischen beiden Ländern war enorm: 1986 lag das jährliche Pro- Kopf-Einkommen in Ägypten bei 800 US-Dollar gegenüber 15.000 US-Dollar in Kuwait (gemessen am Bruttosozialprodukt).
Zu denen, die Arbeit gefunden haben, gehört Khaldoun Al-Naguib, ehemals Soziologieprofessor an der Kuwait-University, der in diesem September an der Amerikanischen Universität unterrichten wird. „Die Kuwaitis haben eine Tragödie erlebt“, sagt er, fügt dann aber nachdenklich hinzu: „Irakern, Iranern, Arabern und Palästinensern ist es vorher allerdings genauso ergangen.“ Für Al-Naguib ist der Kampf um Kuwait nicht nur eine Souveränitätsfrage: „Großmächte haben durchaus gern mit Diktatoren zu tun“, meint er und fährt fort: „Die Amerikaner gehen gern mit Diktatoren um. Aber Saddam Hussein hatte die verrückte Idee, ein unabhängiger Diktator sein zu wollen.“
Die Exilregierung zahlt allen Kuwaitis ohne Ausnahme Wohnung und Unterhalt. Reich bleibt reich, auch im Exil. Besser gestellte Familien sind im Nobelhotel „As-Safir“ untergebracht, das ohnehin in kuwaitischem Besitz ist. Dort herrscht Familienatmosphäre, zuweilen wirkt die Lounge wie ein Kindergarten. Die weniger gut Betuchten müssen sich mit „Uncle Sam“ und „Scherazad“ zufriedengeben, andere leben in Appartmentkomplexen, deren Eigner ebenfalls Kuwaitis sind. Es gebe zuweilen Spannungen zwischen den unterschiedlichen sozialen Gruppen, vor allem wegen der schon in Kuwait unterprivilegierten Beduinen, gesteht Belqis al-Naggar ein.
All jenen, die keine Arbeit haben und die „kuwaitische Sache“ nicht mitorganisieren, bleibt nur, Geduld zu haben und zu warten. Sie müssen sich die Zeit mit den drei verfügbaren kuwaitischen Tageszeitungen vertreiben. Neben der 'Stimme Kuwaits‘ aus London kommt täglich 'Al-Siyasa‘ ('Die Politik‘) aus Saudi- Arabien, und in Kairo wird täglich 'Al-Anba‘ ('Die Nachrichten‘) herausgegeben, die neben nationalistischen Gedichten und Hymnen sowie Berichten über kuwaitische Gedenkfeiern in Kairo auch über die militärischen Ereignisse berichtet. Mit der PR-Arbeit für die kuwaitische Sache hat die Exilregierung eine amerikanische Werbeagentur beauftragt, die auf Hochglanzpapier, phantasievollen Plakaten und sämtlichen verfügbaren Werbeträgern die Leiden der kuwaitischen Bevölkerung unter die Leute bringt. „Kommen sie doch unseren Kindergarten besuchen“, meint der amerikanische Mitarbeiter des kuwaitischen Informationszentrums am Telefon. „Das können sie als Journalistin sicher gut verwerten. Die Kinder singen so hübsch nationalistische Lieder und malen kuwaitische Landkarten.“
Die Ägypter, die jahrzehntelang in Kuwait gelebt haben und in den letzten Monaten zu Hunderttausenden flüchten mußten, haben keine solche Lobby. Für sie gibt es auch weder Wohnungen noch Unterhalt von irgendeiner Regierung. „Diese Hilfsprogramme der ägyptischen Behörden stehen doch alle nur auf dem Papier“, meint ein ägyptischer Familienvater, den die Golfkrise während des Sommerurlaubs zu Hause überraschte. Die kuwaitische Regierung zahlte ihm eine einmalige Abfindung in Höhe von 1.500 ägyptischen Pfund (circa 750 Mark). Aber: „Eine Stelle finde ich in Ägypten als Lehrer in meinem Alter nicht mehr. Wir haben zwar etwas Geld retten können, mit dem ich ein Geschäft aufmachen könnte. Aber soll ich mit 55 Jahren noch mal von vorn anfangen?“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen