: Im Iran wächst der Druck
■ Radikale Abgeordnete fordern Kriegseintritt auf der Seite des Iraks/ 70.000 marschieren im Jemen/ Islamistische Demonstrationen in Algerien
Teheran (afp) — Im Iran hat sich am Wochenende der Druck der Hardliner auf die Regierung verstärkt, auf der Seite des Irak in den Golfkrieg einzutreten. Der Führer des radikalen Flügels, der Hodschatoleslam Ali Akbar Mohtachemi, forderte am Sonntag im Parlament eine Beteiligung des Irans am „Heiligen Krieg gegen Amerika“. „Wovor haben wir Angst, und warum haben wir es noch nicht einmal gewagt, das Verbrechen der USA gegen ein islamisches Land zu verurteilen?“ fragte Mohtachemi die Abgeordneten.
Die Bombardierung von heiligen Stätten der Schiiten darf nach Ansicht Mohtachemis von Teheran nicht hingenommen werden. Die irakische Armee hatte in einem Kommuniqué mitgeteilt, die Alliierten hätten in der Nacht zum Samstag die heiligen Städte Nadschaf und Kerbala im Zentrum des Iraks bombardiert, wo sich Mausoleen von schiitischen Imams befinden.
Die iranische Führung wird seit Beginn des Golfkriegs von den Hardlinern zunehmend unter Druck gesetzt, ihre neutrale Haltung aufzugeben und eine islamistische Position zu vertreten. Bisher konnte sich Rafsandschani jedoch durchsetzen. Der Nationale Sicherheitsrat, das höchste Entscheidungsgremium des Irans, hatte am Samstag „die Politik der Neutralität des Irans angesichts des Krieges“ bekräftigt. Ausnahmsweise nahm auch Revolutionsführer Ali Chamenei an der Sitzung teil und signalisierte damit den Radikalen, daß er vorläufig weiter die Politik Rafsandschanis unterstützt. Der Rat warnte Israel am Samstag davor, den Krieg am Golf auszuweiten. Der Abgeordnete Ajatollah Sadegh Chalchali, ehemaliger Richter am iranischen Revolutionsgericht, erklärte, die Explosion der ersten Rakete in Israel habe Hoffnung in den Herzen zahlreicher Moslems entfacht.
Nouakschott/Sanaa (adn) — Im Jemen und in Mauretanien fanden in den letzten Tagen proirakische Demonstrationen statt. 70.000 Menschen demonstrierten in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa für Saddam Hussein und skandierten antiamerikanische Parolen. In Mauretaniens Hauptstadt Nouakschott entzündete sich der Zorn Tausender Demonstranten, als mehrere hundert der in dem westafrikanischen Land lebenden Franzosen Zuflucht in ihrer Botschaft suchten. Die mauretanischen Behörden hatten zuvor erklärt, sie könnten nicht für die Sicherheit von Ausländern garantieren.
Algier/Tunis (dpa) — Die Regierungen der Maghreb-Staaten haben am Wochenende versucht, die proirakische Erregung in der Bevölkerung zu dämpfen, ohne Zweifel an ihrer eigene Treue zur „arabischen Sache“ aufkommen zu lassen. Am gespanntesten war die Lage in Algerien, das relative Meinungsfreiheit kennt und sich im Vorwahlkampf befindet. Die arabischsprachige Zeitung der algerischen Regierungspartei FLN, 'Al Chaab‘, rief die arabischen Staaten am Samstag auf, sofort an Bagdads Seite „in den Krieg einzutreten“. Sie sollten dem Irak ihr gesamtes „militärisches, wirtschaftliches und diplomatisches Potential zur Verfügung stellen“ und die Beziehungen zu den Staaten in der UNO-Koalition abbrechen. Demonstranten griffen die saudische Botschaft mit Steinen an. Die Islamische Heilsfront (FIS), die seit Weihnachten Freiwillige für Bagdad rekrutiert, drohte, sie werde „ganz Algerien“ in ein Trainingslager für den Heiligen Krieg verwandeln, wenn die Regierung die Freiwilligen nicht ausbilde. Allerdings traten Spannungen zwischen dem nationalarabischen Flügel und dem religiösen Flügel der FIS auf, der bisher an Saudi- Arabien orientiert war und den irakischen Staatsatheismus kritisiert hatte.
Die Regierung in Algier wies alle Sonderkorrespondenten aus, die über die Demonstrationen gegen die USA und Frankreich berichtet hatten. Die Regierungspresse erklärte, die Westmedien „gehorchten den Juden“. Beobachter wiesen darauf hin, daß sich die Minderheit der Berber an proirakischen Protesten nicht beteiligt. Außenminister Sid Ahmed Ghozali bezeichnete die Demonstrationen als „legitim“, erklärte jedoch, man müsse beim Handeln „Vernunft bewahren“. Ähnlich argumentierten die Regierungen Libyens und Tunesiens. Der marokkanische König Hassan II. erklärte, „das Herz der Marokkaner“ sei „mit dem Irak“. Er drohte aber gleichzeitig für den Fall gewalttätiger Demonstrationen die Verhängung des Ausnahmezustandes an. Die in den Maghreb ausgestrahlten französischen Fernsehprogramme wurden teilweise zensiert.
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