: Wenn nicht am Himmel, so auf Erden
■ Das „Patriot“-System zur Raketenabwehr ist urplötzlich wieder „everybody's darling“
Der Golfkrieg hat einem Waffensystem urplötzlich wieder zur Aufmerksamkeit verholfen, das schon einmal, Mitte der 80er Jahre, Gegenstand öffentlicher Diskussionen zumindest in der Bundesrepublik war. Nach dem erfolgreichen Abschuß einer irakischen Scud-B-Rakete in der saudischen Wüste ist das Raketenabwehrsystem „Patriot“ zumindest in den USA „everybody's darling“, wie die 'Washington Post‘ am Wochenende titelte. Militärexperten und GI's vor Ort schwärmen mit feuchten Augen vom ersten „Patriot“-Einsatz unter realen Kriegsbedingungen.
Zeitungen und elektronische Medien widmen dem „besten Verteidigungssystem der Welt“ ganze Seiten und Sendehalbestunden. Die 1983 mit Reagans SDI- Idee in die Welt gesetzte und inzwischen von vielen längst totgeglaubte Vorstellung von Sicherheit durch Raketenabwehr feiert fröhliche Urständ — wenn nicht am Himmel, so doch zumindest auf Erden. Nun werden auch die Bonner Bundesregierung und einige SPD-Verteidigungsexperten endgültig ihre Darstellung korrigieren müssen, die „Patriot“, die seit Mitte der 80er Jahre auch in der BRD stationiert wird, sei ausschließlich zur Abwehr feindlicher Flugzeuge geeignet.
Mit dieser Behauptung wurden seinerzeit Befürchtungen von Friedensbewegung und Grünen beiseite geschoben, bei „Patriot“ handele es sich um einen wichtigen Baustein für ein (west-)europäisches Raketenabwehrsystem. Tatsache ist: Durch simple Veränderung der Software läßt sich das „Patriot“-System von der Flugzeug- auf die Raketenabwehrfähigkeit umstellen. Daß dies in nur wenigen Stunden möglich ist, haben US- Spezialisten am Wochenende in Israel an den dort bereits seit Dezember stationierten zwei „Patriot“-Batterien vorexerziert.
Bleibt die Frage, auf die in Washington auch bis zur Stunde keine schlüssige Antwort zu erhalten ist: Warum geschieht dies erst jetzt, wo doch der Beschuß Israels mit irakischen Scud-B-Raketen seit Monaten an der Spitze der diskutierten Bedrohungsszenarien steht? Andreas Zumach
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen