: Nur der Pförtner wagte eine Prognose
Gedämpfte Stimmung im Römer vor den ersten Hochrechnungen/ Doch auch dann keine Euphorie ■ Aus Frankfurt Heide Platen
Eine rauschende Ballnacht war es nicht. Eine Stunde vor dem Ende der hessischen Landtagswahlen ist es mäuschenstill in den Gängen des Frankfurter Römers. Die Stadtverordneten aller Fraktionen sind anderswo und sammeln sich nur zögerlich im Wahlzentrum. Die Stimmung ist gedämpft. Niemand wagt eindeutige Prognosen. Nur der Pförtner weiß schon Bescheid. Er sieht ein Kopf-an-Kopf-Rennen von CDU und SPD voraus. Die Grünen sind um diese Stunde gar nicht optimistisch. Für Rot-Grün, meinen sie, werde es wohl kaum reichen. Sie rätseln bis 18 Uhr daran herum, ob die niedrige Wahlbeteiligung gut oder schlecht für sie ist. Die Grünen, meint der Pförtner ganz tröstend, die kommen natürlich in den Landtag: „Sonst müßten die ja fast 50 Prozent ihrer Wähler verlieren. Und das gibt es einfach nicht.“ Bernd Messinger, ehemals grüner Landtagsabgeordneter und seit kurzem Pressesprecher der Stadt, ist so optimistisch, wie er nur sein kann: „Gegenüber der Bundestagswahl werden wir zulegen!“
Draußen, vor der Tür des Rathauses, kommen immer wieder Grüppchen zusammen, die sich am Feuer der Mahnwache gegen den Golfkrieg die Hände wärmen und diskutieren. Sie sind im Moment auf Politik im allgemeinen nicht gut zu sprechen. Aber auch drinnen ist der Golfkrieg das Thema.
In den Frankfurter Wahllokalen war schon am Vormittag einiger Betrieb. Auffallend viele alte und junge Menschen gaben zu dieser Zeit ihre Stimmen ab. Es fehlten die mittleren Jahrgänge.
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Karsten Voigt kommt strahlend gerade zu den ersten Hochrechnungen in den Saal: „Ich finde es blöd, wenn die Politiker immer erst kommen, wenn alles gelaufen ist.“ Die erste Hochrechnung im Pressezentrum im Magistratssaal kommt ohne Ton über den Bildschirm. Und schon wissen alle Bescheid: Eine „klare Mehrheit“ für Rot-Grün ist auf einmal doch für alle voraussehbar gewesen. Anderen drängt sich die Erinnerung auf an das Beinahe-Patt bei der letzten hessischen Landtagswahl 1987. Damals hatte bis in den späten Abend hinein nur der FAZ-Redakteur mit seiner Prognose recht behalten. Euphorie bleibt deshalb vorerst aus. „Das riecht“, prognostiziert ein Grüner schnell, “nach Ampel-Koalition.“ Die große Tür zum Oberbürgermeister-Büro ist bei Redaktionsschluß noch geschlossen. Volker Hauff sitzt dahinter und soll — ist zu hören — in den letzten Tagen ganz hoffnungsvoll gewesen sein. Möglicherweise, wird gegen 18.30 Uhr vermutet, könnte er recht behalten. Das eine Prozent, das sich um diese Zeit in den Hochrechnungen in aller Knappheit stabilisiert, läßt bei den BerichterstatterInnen den Wunsch aufkommen, daß die Wahlnacht doch nicht ganz so lang wird wie beim letzten Mal. Manche Grüne und SPDler lächeln schon verhalten. Schließlich geht es im Frankfurter Römer nicht nur darum, den Trend der Bundestagswahl zu stoppen, sondern auch, in Frankfurt eine Bestätigung der bisher mit nur kleineren Konflikten über die Runden gekommenen rot-grünen Koalition zu bekommen, die gerade fast die Hälfte ihrer Legislaturperiode hinter sich hat. Ob das gelingen wird, ist allerdings bei Redaktionsschluß fraglich. Ausgezählt sind inzwischen 16 Wahlkreise. Der leichte Vorsprung der SPD in der Main-Metropole ist gerade wieder ins Wanken geraten. Die Grünen erweisen sich als relativ stabil.
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