Sturmschatten-betr.: "Windschatten", taz vom 16.1.91

betr.: „Windschatten“, Kommentar von Klaus Hartung,

taz vom 16.1.91

[...] Seit halb eins heute nacht ist nun Windschattenspender nicht mehr die Golfkrise, sondern der Golfkrieg. Sturmschatten könnte man jetzt sagen, Schatten des „desert storm“. Und schon gleitet die Golfkrise ihrerseits vom Licht in die Dunkelheit: keine 24 Stunden nach Kriegsausbruch beginnt Präsident Bush mit Beratungen über das „Danach“ — im Windschatten, versteht sich. Das Reißbrett wird wieder hervorgeholt, um den Nahen Osten, wie zu Zeiten der „Befreiung vom Kolonialismus“, westgerecht aufzuteilen und das Kräftepotential gleichmäßig klein zu halten — der für die Unterdrückung nötige, innerarabische Unfrieden ist durch das Formieren der internationalen Armee in Saudi Arabien ja längst gesät. Denn die Abstufungsgrade zwischen „pro-amerikanisch“ und „pro-irakisch“ scheinen so stufenlos, daß nahezu jeder Staat seine völlig eigene Position einnimmt, alliiert heißt hier nicht panarabisch.

Während sich also die Friedensbewegung der westlichen Welt zu gerechtfertigten und hilflosen Demonstrationen versammelt und die Bevölkerung der östlichen Welt sich mit Gasmasken und Propaganda gegen die drohende Zerstörung zu schützen versucht, sind jene, die das Sagen haben werden, bereits mit völlig anderen Dingen beschäftigt — mit voller Deckung durch die Medien übrigens.

Sollten wir also jetzt schon die Bundesregierung aufzufordern beginnen, sich um die Vorbereitung einer Nahost-Konferenz zu bemühen, damit uns in einem halben Jahr nicht wieder die fünf-vor-zwölf-Aktion als letzte und wirkungslose Möglichkeit bleibt? Esther Böhme, West-Berlin