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Über den grünen Tisch gezogen...

Beim Nations Cup der Tischtennisspieler in München geht es um mehr als um Pokale: 105.000 US-Dollar Preisgeld lockte Europas Elite, 30.000 kassierten die deutschen Sieger  ■ Aus München Werner Steigemann

Mit Kopfschütteln registrierte Conny Freundorfer, ein Veteran der schnellsten aller Ballsportarten, dem Tischtennis, die Höhe der anläßlich des European Nations Cup gezahlten Preisgelder. Sein Lohn für die Anstrengungen war oftmals ein warmer Händedruck und der gute Name, mit dem sich ein Sportfachgeschäft führen läßt. Längst hat sich auch im Tischtennis das Berufssportlertum durchgesetzt. Wenn auch in der deutschen Bundesliga sehr gut bezahlt wird, so sind es doch nur die absolut Besten, die eine ansehnliche Summe im Jahr verdienen können. Der European Nations Cup war die erste Veranstaltung in Europa, bei der Geldbeträge ausgespielt wurden wie sonst nur in Fernost. 105.000 Dollar, davon 30.000 für das Siegerteam der acht teilnehmenden Nationen und 5.000 für den besten Einzelspieler.

Für den Präsidenten des Deutschen Tischtennis-Bundes (DTTB), Hans-Wilhelm Gäb, bedeutet dieses Turnier in München einen Aufbruch in neue Tischtenniszeiten. Sechs Jahre lang sind die Rechte gesichert, mit der Perspektive, auch irgendwann Könner aus Asien einzuladen. Doch bereits jetzt hörte die Mehrheit der Spielerelite die Signale — von den Topzehn fehlten nur drei — und fand sich zum dreitägigen Wettkampf in München ein. Präsident Gäbs Resümee der Veranstaltung war dann auch vollste Zufriedenheit. Das Ziel, „Tischtennis ein bißchen vorwärts zu bringen“, sei erreicht. Vor allem aber war es drei Tage lang präsent im Fernsehen.

Allein die Zuschauerresonanz von nur 6.500 ließ zu wünschen übrig, nicht zuletzt ein Resultat der unsicheren politischen Lage. Gäb wies den Vorwurf zurück, daß München vielleicht der falsche Austragungsort sei und verteidigte die bayerischen Landeshauptstädter vor medialer Schelte. Anscheinend sei skandierendes Deutschlandgeschrei mehr geliebt als fachkundiger Beifall. Die Mehrheit der Zuschauer setzte sich aus aktiven Tischtennisspielern zusammen, die schwarz-rot-goldenen Gröhler befanden sich in angenehmer Unterzahl. Und hätte der Verband nicht bayerische Meisterschaften und Punktspiele in den unteren Klassen angesetzt, wären sicherlich auch die erwarteten 4.000 Leute jeden Abend erschienen.

Denn sportlich Interessantes boten die acht teilnehmenden Mannschaften aus Schweden, England, Jugoslawien, Frankreich, Ungarn, der UdSSR, den Niederlanden und der BRD allemal. Doch das erwartete Finale zwischen der BRD und den Schweden mit dem Weltmeister Waldner und dem Führenden der Europa-Rangliste Appelgren fand nicht statt. Die Skandinavier schieden bereits in der Vorrunde aus. Der deutsche Bundestrainer aus Jugoslawien, Cordas, vermutete, die Schweden seien im Trainingsplan auf die WM ausgerichtet. Präsident Gäb ahnte gar das Ende der schwedischen Vorherrschaft. Viele Zuschauer dagegen sahen die Ursache des Ausscheidens eher in den häufigen Kneipenbesuchen der Schweden während der Spielpausen.

So unterlagen die Schweden sowohl den Franzosen mit dem hervorragenden Gatier, als auch den Verteidigungskünstlern aus Jugoslawien. In der anderen Gruppe qualifizierten sich trotz des schwachen Starts von Jörg Roßkopf die BRD sowie die Gebrüder Mazunow aus der Sowjetunion für das Halbfinale. Der Schwede Appelgren erklärte kurzerhand die Franzosen zum Favoriten, da „Gatier alle fertigmacht“.

Doch Propheten hatten schlechte Karten. So scheiterten die Franzosen im Semifinale an dem jetzt groß aufspielenden Roßkopf und dem bis zur Erschöpfung kämpfenden Stefan Fetzner. Selbst Gatier mußte gegen „Speedy“ Fetzner einen Satz abgeben und verlor gegen Roßkopf im vielleicht besten Spiel des Turniers. Für den Finalgegner Jugoslawien brachte Lupulescu dem späteren Sieger der Einzelwertung, Andrei Mazunow aus der UdSSR, die einzige Niederlage bei.

Doch die Jugoslawen schienen sich gegen die Sowjetunion verausgabt zu haben. Im Finale siegten Fetzner und Roßkopf in den Einzeln und auch die Hoffnung auf ein spannendes Doppel zwischen den deutschen Weltmeistern und den jugoslawischen Europameistern Lupulescu/ Primorac erfüllte sich nicht. Roßkopf gewann sicher und der sich an der Tischtennisplatte förmlich zerreißende Fetzner, dem unmögliche Schläge gelangen, ließ den Jugoslawen nicht den Hauch einer Chance.

So hielt sich die Begeisterung in der Halle ob der überlegenen Vorstellung des deutschen Teams in Grenzen, obgleich man sich gegen die europäische Spitze durchgesetzt hatte. Was Eva Jeler, die Cheftrainerin des DTTB, zur Prophezeiung veranlaßte, bei der WM „sei ein Platz unter den ersten sechs anzupeilen.“

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