: Rom: Antikriegsallianz Papst/Kommunisten
Trotz des Trommelfeuers der Regierenden halten Italiens Pazifisten weiter durch ■ Aus Rom Werner Raith
So hätten sie es gerne, Italiens Regierungskoalitionäre: das Volk vereint für „unsere Jungs“ am Golf, Skandale wie „Gladio“ vergessen, die Kommunisten wie in den herrlichen Zeiten des Kalten Krieges an der Wand als „Defaitisten“. Sozialistensprecher Intini findet die Massendemos gegen den Krieg — in den letzten Tagen waren mehr als 300.000 Personen auf der Straße — „unwürdig“, der Chef der industrienahen Republikaner, La Malfa, „geradezu grotesk“, Staatspräsident Cossiga, Christdemokrat, fordert angesichts der Rückzugsappelle des — nach Jahren des internen Streits zur Einheit zurückgekehrten — PCI „uneingeschränkte Solidarität mit unseren Soldaten an der Front“.
Doch unversehens sind den Kriegsfreunden zwei Gegner erwachsen, die man bisher eher auf Regierungsseite wähnte: die öffentliche Meinung — und das Oberhaupt der Katholiken, der Papst; beide freilich aus unterschiedlichen Motiven.
So hatten die Italiener vor dem Krieg mehrheitlich durchaus einer „Strafaktion“ gegen den Irak zugestimmt. Doch seit sich zeigt, daß der versprochene Blitzkrieg der Amerikaner und ihrer Alliierten so nicht funktioniert, und seit überdies ausgerechnet ein italienischer Tornado-Pilot als einer der ersten Gefangenen im irakischen Fernsehen präsentiert wurde, kippt die Stimmung dramatisch.
So hagelt es nun Proteste gegen die Verlautbarung des Generalstabs, die Tornadostaffel habe erneut Einsätze geflogen, „diesmal erfolgreich“ — „die hauen unserem armen Maurizio doch den Kopf ab“, fürchteten Hunderte entsetzter TV-Anrufer, „wenn unsere Generäle mit der Bombardierung prahlen“. Fazit, mehrheitlich: „Besser, wir ziehen so schnell wie möglich wieder ab.“
Dafür plädiert auch der Papst, und ohne Berührungsängste geht er eine ausdrückliche, vor kurzem für ihn noch undenkbare Koalition mit den Kommunisten ein: Am Wochenende publizierte 'il Sabato‘, das Organ der Wojtyla-nahen Fundamentalisten-Organisation „Comunione e liberazione“, erstmals in seiner Geschichte ein Interview mit einem Chef der Kommunistischen Partei Italiens und unterstützte wärmstens Occhettos Forderung nach „sofortigem Rückzug aller UNO-Truppen“ und einem „weiteren Pochen auf das Embargo“. Beim sonntäglichen Mittagsgebet am Petersplatz legte der Papst erneut nach — „deplorevole“ nannte er die Bombardements, was „bedauerlich“ aber auch „tadelnswert“ heißen kann und eindeutig an die Amerikaner ging. Wie er schon seit Wochen immer provokanter US-Präsident George Bush auf eine Stufe mit Iraks Diktator Saddam Hussein stellt — seine Friedensbriefe landeten jeweils nahezu gleichlautend bei beiden Kampfhähnen.
Da fallen natürlich die Kalten Krieger aus allen Wolken: Wo ist er geblieben, der Kommunistenfresser, der Kämpfer gegen die Ungläubigen, der Missionar des Weltkatholizismus? Nur schwer geht Konservativen und Berufschristen ein, daß da einer, dem sonst jede reaktionäre Idee zuzutrauen ist, den Krieg wirklich aus der Menschheitsgeschichte weghaben will. „Es gibt auch den gerechten Krieg“, wandte der Chef der Christdemokraten, Aldo Forlani, nach dem 'il Sabato‘-Interview ein. Die Antwort des Papstes am Sonntag war kurz: „Krieg löst keine Probleme. Setzt euch zusammen und beginnt bei den Wurzeln, die seit Jahrzehnten zum Unfrieden im Orient geführt haben.“
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