„Kroaten! Hört nicht auf Belgrad!“

Ultimatum zur Auflösung der Milizen ist abgelaufen/ Kroatische Regierung ruft zum Widerstand auf  ■ Aus Zagreb Roland Hofwiler

Zu jeder halben Stunde meldet sich „Studio Zagreb“ in der Nacht zum Dienstag mit einem kurzen Nachrichtenappell: „Einwohner Kroatiens, bleibt ruhig, reagiert nicht auf Provokationen! Militärangehörige, hört nicht auf Befehle, die aus Belgrad kommen!“ Die kroatische Regierung fordert die Wehrpflichtigen auf, Einberufungsbefehlen der jugoslawischen Armee nicht nachzukommen. Die Spannung in Kroatien ist auf dem Siedepunkt. In der Nacht zum Dienstag ist das Ultimatum der Bundesregierung zur Auflösung paramilitärischer Verbände und Abgabe „illegaler Waffen“ abgelaufen. Man befürchtet ein militärisches Eingreifen der Zentrale.

Im Fernsehen Sondersendungen zum Golfkrieg, zu Lettland und Litauen. Und Debatten zu den aktuellen Krisenherden. An erster Stelle Krisenherd Balkan. Vergleiche werden gezogen, Warnungen verbreitet im Fernsehen, Radio und in Zeitungen. Die Welt sei durch die Vorgänge in der Wüste und im Baltikum so abgelenkt, daß Hitzköpfe in der Bundesarmee den idealen Zeitpunkt zum Dreinschlagen sehen könnten.

Der oberste Landesherr der abtrünnigen Kroatischen Republik, Präsident Franjo Tudjman, zeigt sich persönlich den Fernsehzuschauern. Im Hintergrund die neue schachbrettartige blau-weiße „Staatsfahne“, ein Blumenstrauß zur Linken. „Landsleute“, sagt er, „wir werden unsere Heimat zu verteidigen wissen, auch militärisch.“ Man versteht. Hier spricht ein ehemaliger Partisanenführer, General. Tudjman war jahrzehntelang treuer Gefolgsmann Titos und brach mit diesem erst in den 70er Jahren, was ihn für Jahre hinter Gitter brachte. Heute ist er ein verbitterter, nationalbetonter Kroate. Auf seiner Luxusstaatslimousine fehlt das Landeskennzeichen „YU“ für Jugoslawien, dafür heißt es „CRO“ für Kroatien. So zeigt es das Fernsehen.

Was es kaum zeigt und was noch viel gespenstischer wirkt, sind die zahlreichen paramilitärischen Sondereinheiten der kroatischen Miliz, die an Überlandstraßen, an wichtigen Verkehrsknotenpunkten und vor den Parlamentseinrichtungen postiert sind — mit schußbereiter Kalaschnikow. Jugoslawien produzierte zwar die Waffe selbst in Lizenz, aber vornehmlich für den Export in den Irak. Im eigenen Land galt diese „Russenwaffe“ als verpönt, als Sinnbild für Unfreiheit und Stalinismus. Eine Assoziation, die Belgrader Militärkreise jetzt gerne ins Spiel bringen, um die kroatische Führung als „Separatisten“ und „Staatszerstörer“ zu beschimpfen. In Zagreb gibt man unverholen zu, man wolle wie der nördliche Nachbar Slowenien aus dem „Vielvölkerkerker“ Jugoslawien ausscheren, so schnell wie möglich, und das mit eigener Währung, Innen- und Außenpolitik und, wie es sich für einen eigenen Staat gehört, mit eigenen Streitkräften.

Wer in Zagreb heute mit serbischem Akzent spricht, wird schief angeschaut und unwillig bedient — das gilt mutatis mutandis auch in Belgrad. Ein Handelskrieg droht längst, beide Seiten in ein wirtschaftliches Chaos zu stürzen: Ein Rundgang auf den Marktplätzen Zagrebs ist ein Augengenuß. Es findet sich alles, wenngleich zu überhöhten Preisen. Zitronen aus Israel, Mandarinen aus Griechenland, Gurken aus Italien, Salami aus Ungarn. Aber mazedonischen Schafskäse oder serbische Bohnensuppe sucht man vergeblich. Wegen „kroatischer Handelszölle“ kommt gar ein Opel billiger als ein einheimischer „Yugo“ aus den Motorenwerken von Kraljevo aus Südserbien. Auf dem Spielplan des Nationaltheaters stehen Stücke von Molière und Bulgakow, aber keines von den alten jugoslawischen Klassikern aus dem Süden des Landes.

Einst belieferte die Plattenfirma „Jugo-ton“ von Zagreb aus ganz Jugoslawien mit Rock, Jazz, Klassik und Folklore. Heute nennt sich die Firma „Croatia-ton“, und — wie sollte man es anders erwarten — man hat sich spezialisiert auf kroatische Volksmusik für den kroatischen Markt. Ein Firmensprecher: „Das wirft sogar bei kleinerem Markt einen größeren Profit ab, die Nachfrage ist riesig.“