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Der Name des Vaters

■ James Foleys „Auf kurze Distanz“, 22.00 Uhr, Pro 7

Amerika ist das Land der Teenager. Bloß nicht alt werden in diesem Land, dessen größte kulturelle Errungenschaften gesunde Zähne und ewige Jugend sind. Brad Whitewood Senior (Christopher Walken) lebt nach dieser Devise. Er hat einen achtzehnjährigen Sohn, Brad Junior (Sean Penn), doch deren Verhältnis zueinander gleicht weniger einer Vater-Sohn-Beziehung als dem Imponiergehabe zwischen jugendlichen Halbstarken.

Statt familiären Pflichten geht Brad Senior dunklen Geschäften nach. Mit seiner Gang hat er sich spezialisiert, in ganz Pennsylvania Traktoren zu klauen. Er liebt schnelle Autos und haut sich den Kopf mit Drogen zu. Das kann nur übel ausgehen, signalisiert uns die nervös irisierende Teigmasse von Christopher Walkens flächigem Gesicht, das mit Schnurrbart noch unberechenbarer wirkt als sonst. In perfekter Weise verkörpert dieser alte Jüngling wieder einmal beklemmend das psycho-pathologische Restrisiko Amerikas.

Brad Senior ist also nicht gerade das, was man als vorbildlichen Vater bezeichnet. Als er nach längerer Abwesenheit wieder einmal unvermittelt auftaucht und den Lebemann raushängen läßt, wie ein Zuhälter den Schmerbauch, ist er für Junior nicht nur der fehlende Elternteil. Er verspricht auch die Möglichkeit des Ausbruchs aus der Armut und der geistigen Enge des gleichförmigen Lebens in einer langweiligen Kleinstadt. Mit seiner Freundin Terry (Mary Stuart Masterson) will Junior sich irgendwo ein Zimmer nehmen. Aber mit ehrlicher Arbeit kommt man ja zu nichts...

Junior hat Elia Kazans „Jenseits von Eden“ gesehen und ist mächtig stolz darauf, vom Vater anerkannt und „eingeführt“ zu werden. Bei seinen finsteren Spießgesellen macht Senior mächtigen Wirbel um seinen Sohn. Wie eine Beschwörungsformel spricht er das Wort „Familie“ aus.

Die äußere Form der Darstellung des Films hat bis dahin jedoch nicht mit Hinweisen gespart, daß der Vater kein Umgang ist. Daher sind wir kaum überrascht, daß Junior überrascht ist, als bei einem der ersten Beutezüge ein allzu redseliger Polizeispitzel nebenher ersäuft wird. Wo gehobelt wird, fallen Spähne, bemerkt Junior und kehrt sich trotzig vom Vater ab.

Ein heftiger Konflikt entbrennt zwischen beiden, den Regisseur Foley in aller Drastik inszeniert. Was die bürgerliche Filmkritik hier zum Teil als psychologisch unscharfe „Schauergeschichte“ diffamierte, ist gerade wegen der gnadenlosen Grausamkeit eine adäquate Projektion derjenigen Art der Konfliktlösung, die, wie sich momentan leider zeigt, ganz dem amerikanischen Geist entspricht.

Am Ende ist Junior gezwungen, den Vater zu denunzieren. Recht und Unrecht, Moral und Unzucht, Jung und Alt müssen klar geschieden werden. Diese Aufgabe hängt von der stark mit Manierismen behafteten Darstellung Sean Penns ab. Neben Christopher Walken ist die Schauspielerei jedoch ein schweres Geschäft. Manfred Riepe

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