: Theaterleute sehen ihre Häuser vor dem Aus
■ Der drohende finanzielle Engpaß sorgt in Berlins Theatern für die Absage von Neuinszenierungen, schlimmstenfalls sogar für das Ende/ Der neue Kultursenator Roloff-Momin weigert sich, bei den Streichungen der »gnadenlose Vollstrecker« zu sein
Berlin. Alles zittert, alles jammert — wie immer geht's ums Geld, das wie überall in der Stadt auch in der Kultur fehlt. Um 1,5 Prozent hat der Finanzsenator den Gesamtetat des Landes gekürzt, bis zur Verabschiedung des Nachtragshaushalts im Frühjahr werden den Zuwendungsempfängern sogar noch einmal zehn Prozent der ursprünglich gewährten Gelder vorenthalten. Macht zusammen 11,5 Prozent weniger — und zwar für jeden einzelnen. So auch für die Berliner Theater, seien sie nun staatlich oder privat betrieben. Als »größten Eingriff in die Kulturpolitik im Land Berlin überhaupt« bezeichnete deshalb der Generaldirektor der Staatlichen Schauspielbühnen, Alfred Kirchner, die Sparmaßnahmen. Sie wirken sich in seinen Häusern vorerst nur auf die Sachmittel aus und noch nicht auf den Personalbereich oder den Spielplan — zumindest nicht direkt. Alle Premieren finden erst einmal wie geplant statt.
Die Situation ist für Kirchner »Ausdruck der barbarischen Verhältnisse«. Er kritisierte, daß im Einigungsvertrag keine Vorsorge für den Erhalt der Berliner Kulturlandschaft, insbesondere durch finanzielle Verpflichtungen der westlichen Bundesländer, getroffen worden sei. Mit der angespannten Lage habe sich am Mittwoch auch eine Sondersitzung des Bühnenvereins beschäftigt, bei der sich Theaterleute aus beiden Teilen der Stadt zu den möglichen Folgen dieser Politik äußerten.
Der neue Kultursenator Ulrich Roloff-Momin versprach inzwischen, man könne auch ein »Sachwalter der Kultur« sein, wenn man auf unumgängliche Sparzwänge hinweise. Er werde jedoch kein »gnadenloser Vollstrecker« sein. Dies würde nicht nur einzelne Institutionen beschädigen und Menschen arbeitslos machen, »sondern auch das Selbstbewußtsein der Künstler in der Stadt erschüttern«. Berechtigte Forderungen werde er auch in Bonn mit entsprechendem Nachdruck vorbringen. Was die gefährdeten Kultureinrichtungen im Osten betriff, verwies der Senator darauf, daß der Einigungsvertrag ausdrücklich von erhaltenswerten Kulturinstitutionen in Berlin mit nationaler Bedeutung spricht. »Wenn Bonn der Meinung ist, uns mit diesem Kulturetat allein zu lassen, muß Bonn letztendlich auch die Folgen tragen.«
Unkenrufe indessen auch vom Direktor der Schaubühne am Lehniner Platz, Jürgen Schitthelm. Er kündigte an, die Kürzungen gefährdeten womöglich vier Neuinszenierungen. Drei müßten abgesagt und eine auf nächstes Jahr verschoben werden. Ferner fehle das Geld für bis zu 30 Mitarbeiterstellen — Schitthelm sieht so schon den Untergang der Schaubühne vor sich.
Ähnlich düstere Aussichten auch für einige freie Gruppen. Für einige Off-Theater wird die Förderung ganz eingestellt. Am Ende sehen sich hier: das Kabarett Zwei Drittel, das TIK-Theater, die Berlin Play Actors und das »Büro für ungewöhnliche Maßnahmen«. Dem »Theater zum westlichen Stadthirschen«, der Neuköllner Oper, dem Klecks-Kindertheater, der Tanzfabrik, dem Theater Rote Grütze, der Theatermanufaktur und dem Tanztheater Skoronel werden die Gelder um 50 Prozent gestrichen.
Da jedoch die freie Berliner Theaterszene nicht nur durch Haushaltskürzungen, sondern auch durch massiven Zuschauerschwund bedroht ist, hat sich der »Beirat für freie Theatergruppen« ein neues Fördermodell ausgedacht. Der neunköpfige Beirat habe die Aufgabe, so sein Sprecher Hartmut Krug, gute Projekte zu fördern und nicht wie bislang so viele Projekte wie möglich. Neu am Fördermodell sei die Gruppenförderung für einen Zeitraum von drei Jahren. Dabei sollen die durch ihre vorangegangene Arbeit als besonders förderungswürdig ausgewiesenen Gruppen aus dem bisherigen »Projekttopf« eine Förderung erhalten, »die sie in den Stand versetzt, längerfristig zu planen«.
Ferner soll der sogenannte »Sondertopf«, aus dem die Kulturverwaltung Bühnen wie die Theatermanufaktur, die Berliner Kammeroper oder das Kindertheater Klecks finanziell unterstützt hat, an diese Gruppenförderung angegliedert werden. Auch weiterhin soll aber in konzentrierter Form Einzelprojekten und Gruppen geholfen werden. grr/dpa
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