Rezepte aus der Kochstraße: Deftig, deftig

■ Salcia Landmann: "Bittermandel und Rosinen" / "Gepfeffert und gesalzen"

Gute Kochbücher sind rar. Von Hochglanzfotos mit Petersiliendekor und 1.999 Rezepten auf 198 Seiten haben wir die Nase ziemlich voll. Wenn das Verhältnis von Bild zu Text nicht bei mindestens 1:5 liegt, taugt das Buch in der Regel soviel wie der irrtümlich Tomate genannte rötliche Wasserball holländischer Blumenzüchter. Wenn es nur noch darum geht, die Zutaten aneinanderzureihen, ohne ihre Qualitäten, ihre Behandlung, ihre jahreszeitlichen Schwankungen, ihren Liebreiz (jaa!) zu beschreiben, dann können auch wir Kochbücher schreiben. Ob ein Kochbuch etwas taugt, das könnte am ehesten Herr Pawlow bewerten, der dazu nur den Speichelfluß beim Lesen — und nicht beim Bildergucken — messen müßte. Es gibt aber noch andere Kriterien.

Wolfgang Siebeck rät, in jedem Kochbuch zuerst unter „Königsberger Klopse“ nachzuschlagen. Wird dort das übliche Zusammenmanschen von gemischtem Hackepeter mit rohen Zwiebeln empfohlen, könne man das Werk getrost in die Ecke pfeffern. Bei der jüdischen Philosophin und Kochbuchautorin Salcia Landmann waren leider keine Königsberger Klopse zu finden. So mußte ich ihre Bücher denn lesen — und war begeistert. Zugegeben: Ihre Rezepte sind nichts für „schwächliche Esser“, die bei jedem Bitzelchen Fett in Weinkrämpfe ausbrechen. Da wird ein Tiegel schon mal fingerdick mit Gänseschmalz ausgestrichen, bevor dann ein fettes Stück Rindfleisch hineinkommt und sechs Stunden vor sich hin schmurgelt. Nach dem Essen wird gelegentlich der Genuß von zwei klaren Schnäpsen anempfohlen, was auch nicht jedermanns Sache ist. Und denoch: Wem vor lauter Lendchen und Lachs der Appetit vergangen und die Sehnsucht nach deftiger Kost gewachsen ist, der wird hier fündig. Und wir erfahren alles über die jüdische Küche und über Uromas Tricks. Das Ganze ist von Schimpftiraden über kulinarische Analphabeten durchsetzt und mit schweren Schlägen gegen geschmacksnormierte Lebensmitteldesigner angereichert. Bei vielen Rezepten erklärt Frau Landmann detailliert die Herkunft, sie führt durch die jüdischen Feiertage mit ihren Spezialgerichten, und sie nennt mögliche Abwandlungen von streng koscheren Rezepten. Ihr Urteil ist unerbittlich: Angelsachsen sollten demnach am besten den Herd durch einen Zweitfernseher ersetzen.

Wenn die Autorin allerdings ausgiebig die köstlichen Düfte beschreibt, die bei diesem oder jenem Gericht durch die Wohnung ziehen, und sich erinnert, wie vor vielen Jahren ein russischer Offizier nach der dritten Portion in die Knie ging, dann kann man einfach nicht widerstehen. Dann schleicht man sich heimlich in die Küche, streichelt Messer und Kochtöpfe, blickt wohlgefällig aufs Gewürzregal, schultert die Jutetasche, und — geht schleunigst einkaufen, während der Verdauungsapparat wohlgefällig gluckernd der Dinge harrt.

Anempfohlen seien zwei Bücher von Salcia Landmann: Bittermandel und Rosinen (Ullstein 20922, 12,80 DM) und Gepfeffert und gesalzen (Ullstein 34108, 9,80 DM). Empfohlen diesmal von

Manfred Kriener