: Wichtiger Kompromiß
■ Ein Bürgerkrieg im Vielvölkerstaat Jugoslawien konnte gerade noch vermieden werden KOMMENTARE
Das hätte uns gerade noch gefehlt. Vorerst, und auch nur ganz knapp, ist am Wochenende ein Bürgerkrieg in Jugoslawien vermieden worden. Der Entscheidung des kroatischen Präsidenten Franjo Tudjman, die Reserveeinheiten der Polizei zu demobilisieren, stellte die Armeeführung ihr Versprechen entgegen, die Souveränität der Republik zu akzeptieren. Wenn sie sich daran hält, würde dies bedeuten, daß die serbische Minderheit in Kroatien, die zu einem Zankapfel zwischen Serbien und Kroatien geworden war, eine Übereinkunft mit der kroatischen Regierung finden muß. Denn die Bestätigung der Integrität der Republik erlaubt es nun serbischen Politikern nicht mehr, die teilweise berechtigten Forderungen und Befürchtungen der Serben in Knin für ihre Träume von einem Großserbien zu funktionalisieren.
Andererseits aber steht jetzt auch die kroatische Regierung im Wort. Schon seit Monaten ist nicht mehr klar auszumachen, ob Präsident Tudjman, der zum Nationalisten konvertierte Exkommunist, noch unabhängig agieren kann. Sein der serbischen Minderheit signalisiertes Entgegenkommen in Fragen der kulturellen Autonomie war im eigenen Lager nicht unumstritten. Kroatische Nationalisten erwiesen sich um keinen Deut toleranter als ihre serbischen Gegner. Ob der in Serbien gezeigte Film, in dem der kroatische Verteidigungsminister Spegelj und Innenminister Boljkovac Angriffe gegen Offiziere verabreden, eine „skrupellose Montage“ — wie die Kroaten sagen — ist oder nicht, sei dahingestellt. Er weist auf die seit Monaten bestehende Atmosphäre der aufgeputschten nationalen Gefühle hin, in der die Führung der serbischen Minderheit in Kroatien viele Gründe finden konnte, Verhandlungen mit dem Ziel eines friedlichen Ausgleichs auszuschlagen. Jetzt aber muß von allen Seiten gehandelt und verhandelt werden.
Dieser wichtige Kompromiß, der nicht zuletzt durch die Intervention des jugoslawischen Ministerpräsidenten Ante Markovic zustande kam, könnte der ersehnte politische Wendepunkt im Wirrwarr der jugoslawischen Innenpolitik sein. Nur wenn die bestehenden Grenzen der Republiken gegenseitig respektiert werden, ist der bewaffnete Konflikt zwischen den Völkern Jugoslawiens zu verhindern. Daß aber in dieser gespannten Situation ausgerechnet der slowenische Präsident Kucan das „Recht der Serben, in einem Staat zu leben“, anerkennt und damit den mühsam erzielten Kompromiß zwischen Armee und Kroatien in Frage stellt, nur um für die eigene Republik Slowenien Vorteile zu erkaufen, ist nicht nur in Kroatien auf Bitternis gestoßen. Ein solcher Opportunismus zeigt an, in welchem Ausmaß die slowenische Führung ihre gesamtjugoslawische Verantwortung ignoriert. Der Grat zwischen Krieg und Frieden bleibt schmal in Jugoslawien. Erich Rathfelder
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