Vorwürfe an Deutschland

■ Die 12.000 Bewohner des Mohawk-Reservats standen schon immer treu zur „amerikanischen Sache“

Mohawk Reservation, Hogansburg, New York (taz) — Die Route 11 führt auf einem schneeverwehten Höhenrücken der kanadischen Grenze entlang, bis sie am nördlichsten Punkt des US-Bundesstaates New York nach Süden abschwenkt. Genau an dieser Stelle, hinter Fort Covington, ändert sich plötzlich das Straßenbild. Aus den weißen Holzhäusern werden schäbige Baracken; statt der neuesten japanischen Automodelle stehen spritschluckende US-Schlitten aus einer vergangenen Zeit vor der Haustür.

Zwischen den verstreut liegenden Behausungen finden sich Autowracks und andere ausrangierte Trophäen der Konsumgesellschaft. Grelle Neonzeichen laden zum Stopp an einem der zahlreichen „Giftshops“ ein, in denen der weiße Mann auf dem selbstverwalteten Territorium der Ureinwohner steuerfreie Zigaretten und Spirituosen erstehen kann. „Willkommen im Mohawk-Reservat von Akwesasne“, steht auf dem Eingangsschild.

Schräg gegenüber der riesigen Glücksspielhalle, des „Mohawk Bingo“, liegt das flache Gebäude der „American Legion“, Heimstätte der indianischen Kriegsveteranen. An der Theke sitzt Mike Francis, Kommandant des Marinekorps in Korea, und wartet auf den Anstoß zum diesjährigen Football-Endspiel zwischen den Buffalo Bills und den New York Giants.

„Der Krieg“, fragt er ungläubig, „du willst wissen, was wir Veteranen über Saddam denken? Da bist du bei uns an der richtigen Adresse!“ Er steht auf und führt mich in den hinteren Teil des turnhallengroßen Raums, wo die verblichenen Fotografien von Mohawk-Kriegern aus dem Zweiten Weltkrieg hängen. Unter den Stammesbezeichnungen der Mohawks, Oneidas und Seneca sind die Namen derer aufgelistet, die auch in Europa „der Macht ihres Kriegsgesangs“ gefolgt sind. Die Frage nach der Notwendigkeit eines Krieges gegen Saddam Hussein scheint sich zumindest unter den Veteranen der 12.000 Mohawks von Akwesasne zu erübrigen. Die amerikanischen Ureinwohner haben schon immer in relativ großer Zahl für Uncle Sam gefochten, mehr als ihre weißen Brüder.

Warum, wo sie doch von diesen Vereinigten Staaten bis heute wie der letzte Dreck behandelt werden? „Wir Indianer kämpfen für unsere Rechte und für unser Land“, sagt Fred White, der auf seinem Weg nach Korea auch 14 Monate in Nürnberg stationiert war. Und ihr Land sei eben trotz alledem Amerika. Natürlich, so schränkt er ein, habe dies auch etwas mit der wirtschaftlichen Situation in den Reservaten zu tun. Hier in Akwesasne gebe es nichts zu tun. „Da zieht man halt lieber in den Krieg.“ Derzeit ist die Bevölkerung über die Frage der Spielkasinos zerstritten, die mit ihren schnellen Dollars zahlungskräftiger Weißer die Probleme von Gewalt und Alkoholismus noch verschlimmern.

Nur eines stört Mike, Francis und die anderen „Vets“ an diesem Krieg gewaltig. „Wir sind ja so blöde, diesen Krieg auch für euch Deutschen zu kämpfen“, beschweren sie sich im Chor. „Warum kämpft ihr denn nicht, ihr habt dem Kerl doch den ganzen Chemie- Scheiß geliefert, oder?“ Und dann: „Wie alt bist du, und aus Berlin? Ohne Amerika und unsere Luftbrücke gäb's euch doch gar nicht, he!“ Rolf Paasch