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Lesbisch-schwuler Sangeswettstreit

■ MännerMinne & Neuer Berliner Damenchor

Auch Schwule sind Männer, das haben feministische Lesben schon lange erkannt. Lesbisch- schwule Zusammenarbeit beschränkt sich daher in unserer Stadt nahezu allein auf die jährliche Vorbereitung des Christopher-Street-Days. Eine Ausnahme läßt uns in doppelter Hinsicht aufhorchen: An diesem Wochenende werden der Schwulenchor MännerMinne und die Lesben des Neuen Berliner Damenchors bereits zum zweiten Mal gemeinsam auf der Bühne stehen.

Auch bei heterosexuellen ChorfreundInnen sind deren Konzerte nicht unbeliebt: Lieder aus den Anfängen der Homo-Bewegung wie »Brothers and Sisters« oder »Our Time« sind zwar auch Teil des Programms, die übrigen Stücke aber eine kunterbunte Mischung aus verschiedensten Richtungen. Was Heteros können, können Homos schließlich schon lange: Mit Stücken aus Johann Strauß' »Fledermaus« unternehmen die MinneMänner einen Streifzug in die Operettenwelt genauso wie sie mit »Blue Moon« und »You Are My Star« Jazz und Swing präsentieren. Selbst altes Volksliedgut wird in zwei Medley-Versionen nicht fehlen — als vollendete Persiflage.

Während der schwule Chor Verfremdungen und typisches Homo-Profil mit Variationen der Tonleiter etwa von Dur nach Moll oder mit unüblichen Arrangements erreicht, verändern die Neuen Berliner Damen vor allem die Texte. Von denen von ihnen ausgewählten Schlagern der 20er und 30er Jahre haben sie nur die Strophen übernommen, die ihrem feministischen Blick standhielten. Da das der seltenste Fall war, sind die Stücke um Liebe und Herzeleid nun liebenswert lesbisch und damit noch weitaus besser als die Originale etwa von Friedrich Hollaender.

Eine Überraschung wird der Auftritt von MännerMini werden, einer Gruppe, die von acht der rund 65 MinneMänner aus allen Stimmgruppen gebildet wurde, um der Konkurrenz durch den neuen schwulen Profi-Chor Rosa Cavaliere gewachsen zu sein. Dank der gekonnten Choreographie läßt sich von den Minis durchaus Großes erwarten.

Die typischen Unterschiede zwischen den Geschlechtern werden damit aber auch zwischen dem Lesben- und dem Schwulenchor deutlich. Während MännerMinne zum einen die Ironie durch gesetzmäßig berechnete Variationen erreicht, lebt der Damenchor von seiner unberechenbaren Kreativität. Zum anderen verstehen sich die neun weiblichen Stimmen zusammen mit ihrer Pianistin in erster Linie als Kollektiv, auf eine Dirigentin haben sie verzichtet. An hierarchische Vorbilder lehnt sich dagegen MännerMinne an: Unter der Leitung von Scott Clemons aus den USA und mit dem Master-Diplom-Pianisten John Dawson gibt sich der Chor ein professionelles Image, auch wenn das schwule Stammpublikum mehr der neueste Tratsch über die in der Szene nicht unbekannten Sänger interessiert.

Die Idee aber, den Geschlechterkampf in einen Sangeswettstreit zu verwandeln, wird sich zumindest bei diesem Konzert bewähren, das eben gerade von dieser gegensätzlichen Mischung lebt. Der gemeinsame Auftritt von MännerMinne und Damenchor hat zuguterletzt auch einen standeseigenen Zweck: Von den Eintrittsgeldern wird das 6.Europäische schwul-lesbische Chorfestival in Hamburg finanziert. (am Freitag und Sonntag jeweils 20 Uhr im Saalbau Neukölln) Micha Schulze

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