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Kein Sexschweiß in der Sporthalle

■ Die Treuhandanstalt beschließt die kostenlose Vergabe aller Sportstätten der ehemaligen DDR an die Gemeinden

Berlin (taz) — Monatelang hatten sie sich gegrämt, die fünf neuen Bundesländer und Berlin, doch nun hat — Modrow sei Dank — die Beschämung ein Ende. Denn: Der Sport bleibt sauber. „Auf Sportplätzen und in Sporthallen wird es nun keine Spielhallen, Sex-Shops, Supermärkte und andere kommerzielle Unternehmungen geben“, frohlockt die 'Deutsche Presseagentur‘.

Die Freude hat einen wohlgesitteten Grund: Nur anständiger Schweiß soll in Zukunft die Turnhallenluft schwängern, auf die Matte geht's weiterhin nur streng moralisch. So hat der Ex-DDR-Staatschef Hans Modrow (PDS) im Juni 1990 entschieden, als er beschloß, den Bestand aller betrieblichen Sportplätze und Hallen zu sichern und Spekulanten den Wind aus den Segeln zu nehmen. Damals nämlich wollten viele vom Konkurs bedrohte VEBs in ihrer Verzweiflung ihre Sportanlagen meistbietend verhökern, Käufer egal.

Dieser anhaltende Trend ist nun von der Treuhandanstalt, die sich des Modrow-Erlasses entsann, gestoppt worden. Auf Beschwerde vieler Gemeinden, die ihren herzallerliebsten Sportplatz schwinden sahen, faßte die Treuhand folgenden Beschluß: Ab sofort können sämtliche Sportgelände in die Verwaltung der Bezirke und Gemeinden übergehen, und das kostenlos. Falls, und das ist Voraussetzung, diese sie wollen. Doch eben das ist fraglich.

Natürlich begrüßt der oberste Sporthirte, der Präsident des Deutschen Sportbundes Hans Hansen, die Entwicklung freudig, vergrößert sie doch letztlich seinen Wirkungskreis. Die Gemeinden jedoch sollten dem geschenkten Gaul mehrfach und mißtrauisch die Lippen stülpen. Den mit der Unterhaltung und Sanierung der zum Teil völlig verrotteten Sportanlagen in weiten Teilen der ehemaligen DDR kommt — wir entsinnen uns des Eine-Mark-Deals mit den Häusern der „Neuen Heimat“ — eine gewaltige Kostenlawine auf die finanziell darbenden Verwaltungen zu. Allein in Berlin hat der Landessportbund die Kosten zur Rettung der maroden Anlagen auf 100 Millionen Mark jährlich geschätzt. Woher die Gelder kommen sollen, ist bislang noch unklar.

Die Stadt oder Gemeinde der fünf neuen Bundesländer, die sich ähnliche Kosten leisten kann, ist nun aufgerufen, bei der Treuhand die Anträge auf kostenfreie Überlassung zu stellen. Schon warten die Sportpolitiker voller Spannung, welche Gemeinden sich den Sport in eigener Regie etwas kosten lassen können.

Denn die Hauptsache ist, so das Motto von Hans Hansen, „zu verhindern, daß sportfremde Zwecke Verwendung finden“. miß

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